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Das evangelische Kirchenjahr


Als evangelischer Christ kenne ich nur das Kirchenjahr der evangelischen Kirche aus eigener Anschauung (meine Beobachtungen beziehen sich auf Österreich). Das Kirchenjahr der katholischen Kirche dürfte sich wohl nicht wesentlich unterscheiden. Die Sonntagsbezeichnungen sind z.T. andere, und es gibt zusätzlich noch einige Marienfeste. Beim Kirchenjahr der anglikanischen und der orthodoxen Kirche muß ich passen. Ich bin ein Kind der Perikopenordnung von 1978, die 1999 geringfügig modifziert wurde. Seit 2018 ist eine neue Perikopenordnung in Kraft, an die ich mich erst gewöhnen muss. Wer mehr und Genaueres wissen will, dem empfehle ich die Seiten:

Das älteste und wichtigste Fest der Christenheit ist Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu Christi. Später kam dann das Geburtsfest Jesu, Weihnachten, hinzu. Das Kirchenjahr der evangelischen Kirche besteht daher aus drei Festkreisen:

Dazu kommen:

Jedem Festtag ist eine von fünf liturgischen Farben zugeordnet, die z.B. für Altartücher verwendet wird:

WEISS
Farbe des Lichtes und der Freude
Weihnachten, Ostern, Trinitatis
VIOLETT
Farbe der Buße und der inneren Vorbereitung
Advent, Passionszeit, Buß- und Bettag
ROT
Farbe des Pfingstfeuers und des Blutes der Märtyrer
Pfingsten, Gedenktage der Kirche
GRÜN
Farbe der aufgehenden Saat
Epiphanias-, Vorfasten- und Trinitatiszeit
SCHWARZ
Zeichen der Trauer
Karfreitag

Advent - Weihnachen - Epiphanias

Das Kirchenjahr beginnt mit den vier Adventsonntagen, der Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft (lat. adventus) Jesu. Die Höhepunkte dieses Festkreises sind das Christ- (d.h. Weihnachts-) und das Epiphaniasfest. Weihnachten ist das Fest der Geburt Jesu. Epiphanias ist das Fest der Erscheinung (griech. epipháneia) des Herrn in der Welt. Dieses abstrakte Fest wurde volkstümlich zum Fest der Heiligen Drei Könige umgedeutet (die wiederum die volkstümliche Version der Weisen aus dem Morgenland sind). Der Festkreis klingt aus mit den Sonntagen nach Epiphanias, deren Anzahl früher vom Ostertermin abhing (max. sechs). Seit der 2018 in Kraft getretenen Perikopenrevision (OGTL) endet die Epiphaniaszeit mit dem 2. Feb. (Lichtmess), daher gibt es jetzt in der Regel vier Sonntage nach Epiphanias.

Der 1. Jan. war ursprünglich das Fest der Beschneidung (lat. circumcisio) Jesu. Heute wird er auch in der Kirche als Beginn eines neuen Jahres gefeiert (s.u. Unbewegliche Feste), oft auch mit Dankgottesdienst am Altjahrsabend, dem Abend des 31. Dez.

Passionszeit - Ostern - Pfingsten

Der Festkreis beginnt mit den ursprünglich immer drei Sonntagen vor der Passionszeit (in etwa der Höhepunkt der Faschingszeit), seit der Perikopenrevision sind es ein bis fünf. Es folgen die sechs Sonntage der Passionszeit, in der man des Leidensweges Jesu gedenkt. Der Höhepunkt dieses Festkreises ist die Karwoche mit dem Ostersonntag, dem Fest der Auferstehung Jesu. Es folgen die sechs Sonntage nach Ostern, die geprägt sind von der österlichen Freude, und schließlich das Pfingstfest, das Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes.

Die Passionszeit, die in der katholischen Kirche zugleich Fastenzeit ist, beginnt mit dem Aschermittwoch, dem Mittwoch vor dem 1. Sonntag der Passionszeit. Die Asche, die man sich aufs Haupt streut (oder als Kreuz auf die Stirn malt), ist das Zeichen der Buße (in der Evangelischen Kirche in Österreich allerdings unüblich). Die Zeit vor der Fastenzeit ist der Fasching (mhd. vastschanc „Ausschenken des Fastentrunks“), andernorts auch Fastnacht (urspr. der Abend vor der Fastenzeit, also der Abend vor dem Aschermittwoch) genannt. Der Faschingsmontag heißt seit dem 19. Jh. Rosenmontag (v. niederrhein. rosen „toben, ausgelassen sein“). Im Laufe der Zeit wurde der Fasching bis in die Nachepiphaniaszeit ausgedehnt, heute beginnt er (der Folklore nach) sogar schon am 11. Nov.

Fasten bedeutet die Enthaltung von bestimmten (oder auch allen) Speisen und Getränken. In der katholischen Kirche bedeutet es den Verzicht auf das Fleisch warmblütiger Tiere. Die evangelische Kirche hat in ihren Anfängen das Fasten eher abgelehnt, da es den Geruch einer religiösen Leistung, eines Verdienstes bei Gott hat. Daher gibt es keine vorgeschriebenen Fastenzeiten. Allerdings scheint das Fasten an Karfreitag auch in der evangelischen Kirche nicht unüblich zu sein.

Trinitatis - Nachtrinitatiszeit

Dies ist die Sauregurkenzeit des Kirchenjahres. Die mehr als 20 Sonntage (ihre genaue Zahl hängt wieder vom Ostertermin ab) werden einfach durchnumeriert. In dieser Zeit gibt es keine „großen“ Feste. Die Sonntage sind inhaltlich dem Leben als Christ und der Gemeinschaft der Christen, der Kirche, gewidmet. In diese Zeit fallen das Erntedankfest, das Reformationsfest und Allerheiligen.

Unbewegliche Feste und Gedenktage

Die Mehrzahl der christlichen Feste fällt auf einen Sonntag, z.B. Ostern oder Pfingsten. Manche Feste aber fallen auf ein bestimmtes Datum, z.B. das Christfest (25. Dez.), Epiphanias (6. Jan.), das Reformationsfest (31. Okt.) und Allerheiligen (1. Nov.).

Das Reformationsfest ist das Gedenken an den Beginn der lutherischen Reformation (am 31. Okt. 1517 soll Luther der Überlieferung nach seine 95 Thesen angeschlagen haben). Aus Sicht der evangelischen Kirche ist es so etwas wie ein zweites Pfingsten. Es geht aber heute im Halloweenbrimborium unter.

In der katholischen Kirche ist Allerheiligen (1. Nov.) der Gedenktag der Heiligen, Allerseelen (2. Nov.) der Gedenktag aller Verstorbenen. In der evangelischen Kirche, die Heilige im Sinne der katholischen Kirche nicht kennt, hat Allerheiligen ein schwer definierbares Proprium. Die liturgische Farbe war früher rot (Märtyrergedenken), ist bei Kirchenjahr evangelisch jetzt aber weiß, bei Senftleben immer noch rot. Das Totengedenken findet am Totensonntag statt. Allerdings sind das Schmücken der Gräber mit Blumen und Lichtern um Allerheiligen/Allerseelen in Österreich auch in der evangelischen Kirche üblich.

Stefani (26. Dez.) kann liturgisch als Fortsetzung des Christfestes (s.o.) oder als Gedenktag des Märtyrers begangen werden. Wenn der Tag gefeiert wird, dürfte in der Regel ersteres der Fall sein. Ebenso wird der 1. Jan. meist als Neujahrstag begangen. Die übrigen Feste werden selten durch Gottesdienste gefeiert.

Das Fest der Darstellung des Herrn (2. Feb.), auch Mariä Reinigung (das Ende der Zeit, in der eine jüdische Frau nach der Geburt eines Kindes als unrein galt) bzw. Mariä Lichtmess (nach der Lichterprozession) genannt, ist theologisch nicht von großer Bedeutung, war aber früher der Beginn des bäuerlichen Arbeitsjahres.

Mit der Perikopenrevision 2018 sind der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27. Jan.), der Tag des Gedenkens an die Novemberpogrome (9. Nov.) und Gedenktage für Bischof Martin von Tours (Martini, 11. Nov.) und Bischof Nikolaus von Myra (6. Dez.) dazugekommen.

Besondere Tage und Anlässe

Einige Feste haben keinen festen Termin. Erntedank wird meist an einem Sonntag im Herbst gefeiert, im deutschsprachigen Raum am Sonntag nach Michaelis oder am ersten Sonntag im Oktober. (In den USA ist Thanksgiving am vierten Donnerstag im November). Konfirmation wird meist in der Nähe des Pfingstfestes gefeiert. Die Konfirmation ist die persönliche Bestätigung der Taufe und der Beginn der Religionsmündigkeit des Gläubigen (meist mit ca. 14 Jahren). Der Gedenktag der Entschlafenen wurde ersetzt durch den Totensonntag.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 9. Mai 2021