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Arabische Wörter


Der Alkohol hat mich auf den Geschmack gebracht (das Wort natürlich): arabische Wörter und Namen im Deutschen. Die Liste möglicher Kandidaten ist lang. Wörtern wie Kaffee oder Zucker sieht man nicht unbedingt hat, dass sie aus dem oder über das Ar. zu uns gekommen sind. Ich habe mir ein paar herausgepickt, bei denen klar ersichtlich ist, dass sie fremdsprachiger Herkunft sind.

Algorithmus

محمد بن موسى الخوارزمی Muḥammad bin Mūsā al-Ḫwārizmī, oder kurz al-Chwarizmi „der Choresmier“ (von Choresmien, pers. Ḫwārazm, Landschaft südlich des Aralsees) (um 780-nach 846/7) war ein persisch-arabischer Mathematiker, Astronom und Geograph der Abbasidenzeit. (Einige Quellen geben als Kunya أبو جعفر Abū Ǧaʿfar, andere ابو عبد الله Abū ʿAbd-allāh.) Die Nisba wird in den lat. Übersetzungen seiner Werke latinisiert zu Algaurizin (1145, v.l. Algaurizm)[1], Alchoarismi (zw. 1140 u. 1180)[2], Alchoarizmi / Algorizmi (12. Jh.?)[3], Algoritmi (12. Jh.)[4], u.ä.

Al-Chwarizmi schrieb u.a. ein Buch über das Rechnen im Dezimalsystem mit indischen Ziffern (die die 0 enthalten). Sein Name wird durch lat. Übersetzungen seiner mathematischen Werke rasch zum Inbegriff der Rechenvorschrift, im Mlat. bedeutet algorismus seit der Mitte des 13. Jh. soviel wie „Arithmetik, Rechenkunst“ (insbes. im arabisch-indischen Zahlensystem). Die Wikipedia kennt den Begriff Algorism „arabisches Zahlensystem, Rechnen im ~“ auch für das moderne Engl. (Vgl. auch span. guarismo „Ziffer“.)

Wir sprechen von arabischen Ziffern, weil das Abendland sie aus dem Ar. übernommen hat. Die Araber haben sie aber ihrerseits von den Indern übernommen.

Wohl in Anlehnung an das 1614 von John Napier eingeführte Wort logarithmus[5] wurde algorismus an gr. ἀριθμός arithmós „Zahl“ angeglichen. Es entstand das Wort Algorithmus, und es bekam die Bedeutung „Abarbeitungsvorschrift“. (Nach Kluge im Dt. seit Ende des 19. Jh.)

Man überlege sich einmal, wie man vorgeht, wenn man sechs in beliebiger Reihenfolge angeordnete Lottozahlen hat und diese aufsteigend sortieren soll: was vergleicht man womit, was verschiebt man wohin, wie oft muss man das wiederholen, wann ist man fertig? Das ist ein Algorithmus. Einfache Sortieralgorithmen sind eine beliebte Spielwiese für die Einführung in algorithmisches Denken.

  1. „Mahomet, filius Mosi Algaurizin“.– Robert of Chester's Latin translation of the Algebra of al-Khowarizmi. Hrsg. u. übers. v. Louis Charles Karpinski.– New York: Macmillan, 1915. S. 66
  2. „Liber Maumeti filii Moysi Alchoarismi“.– Hughes, Barnabas: Gerard of Cremona's translation of Al-Khwārizmī's Al-Jabr. A critical edition.– Medieval Studies 48 (1986), S. 233
  3. Hs. N: „Dixit Alchoarizmi“; Hs. C: „Dixit Algorizmi“.– Folkerts, Menso: Die älteste lateinische Schrift über das indische Rechnen nach al-Ḫwārizmī. Edition, Übersetzung und Kommentar. Unter Mitarb. v. Paul Kunitzsch.– München 1997, Verl. d. Bayer. Akad. d. Wiss. (Beck) (Bayer. Akad. d. Wiss., Philosoph.-hist. Kl., Abhandlungen, N.F. Heft 113). S. 28 et passim
  4. „Dixit algoritmi“.– Boncompagni, Baldassarre: Trattati d'aritmetica. Bd. 1: Algoritmi de numero Indorum.– Rom: Tipogr. delle science fis. e matemat., 1857. S. 1
  5. Napier, John: Mirifici Logarithmorum Canonis descriptio, Ejusque usus, in utraque Trigonometria; ut etiam in omni Logistica Mathematica, Amplissimi, Facillimi, & expeditissimi explicatio.– Edinburgh: Hart, 1614

Algebra

Eines der Bücher al-Chwarizmis heißt الكتاب المختصر في حساب الجبر والمقابلة al-kitāb al-muḫtaṣar fī ḥisāb al-ǧabr wa-ʾl-muqābala „das kurzgefasste Buch über Rechnen durch Einrenkung (od. Zwang) und Ausgleich“ (830). Darin geht es um das Lösen von Gleichungen. Die beiden zentralen Äquivalenzumformungen sind:

ǧabr „Einrenkung; Nötigung, Zwang“, hier oft mit „Ergänzen, Wiederherstellung“ o.ä. wiedergegeben
vom Verbum جبر ǧabara „einrenken, wiederherstellen, zufriedenstellen“
laut Karpinski bezeichnet dies die Beseitigung negativer Ausdrücke
muqābala „Vergeltung, Austausch, Ausgleich; Begegnung, Unterredung“
vom Verbum قبل qabila „annehmen, akzeptieren“
Zusammenfassung von Ausdrücken gleicher Potenz

In der lat. Übersetzung des Robert von Chester heißt das Buch Liber algebrae et almucabola[1]. Damit wurde lat. Algebra zum mathematischen Terminus technicus für das Lösen von Gleichungen mit Unbekannten und den dafür notwendigen Umformungen.

Alkali, Natron

Das Wort Alkali ist mir nur als Bestimmungswort in Zusammensetzungen wie Alkalimetalle und im Adj. alkalisch geläufig. Alkalisch bedeutet im Prinzip so viel wie basisch, eine alkalische Lösung ist eine Lauge. Der Duden nennt aber Al­ka­li, das, mit der Bedeutung „a) [ätzende] Verbindung eines Alkalimetalls mit einer Hydroxylgruppe; b) Karbonat eines Alkalimetalls“.

Ursprung des Wortes ist ar. (Artikel +) قلي qilj, qalī „Asche alkalischer Pflanzen, Pottasche, Soda“[6]. Pottasche ist ein Trivialname für Kaliumcarbonat. Ein Pott ist ein Topf; die Pottasche heißt so, weil man früher Kaliumcarbonat gewann, indem man die Asche bestimmter Pflanzen in Wasser löste und nach dem Abschöpfen unlöslicher Bestandteile die Lösung in einem Topf eindampfte. Daher nennt man die Pottasche auch Laugensalz. Dazu passt, dass das ar. Wort vom Verbum قلى qalā „braten, rösten, schmoren“ abgeleitet ist. (Das engl. potash wurde zu potassa latinisiert, davon schließlich das engl. Wort für das chem. Element Kalium abgeleitet: potassium.)

Ar. al-qalī wurde zu span. álcali, dieses zu frz. alcali, daraus dt. Alkali. Dieses wurde gekürzt zu Kali (für „Kaliumsalz“) und Kalium (chem. Element). Als Alkalimetalle bezeichnet man die Elemente der 1. Hauptgruppe des Periodensystems, zu denen auch Kalium gehört: Lithium, Natrium, Kalium, Rubidium, Caesium, Francium, allesamt Metalle mit nur einem Elektron in der äußersten Schale und daher ab Na hochreaktiv.

Soda ist (mineralisches) Natriumcarbonat. Es wurde früher auf dieselbe Weise gewonnen, wie Pottasche: aus der Asche von Salzmelde. Das Wort kommt aus dem Span. oder It., die weitere Herkunft ist laut Duden unbekannt, laut Kluge kommt es von ar. suwwād („Name der Pflanze, aus deren Asche Soda gewonnen wurde“), das ich aber im Wörterbuch nicht gefunden habe.

Soda ist ein mehrdeutiges Wort. Es bezeichnet fachsprachlich ein Mineral, ugs. so unterschiedliche Stoffe wie Waschsoda (Natriumcarbonat), Speisesoda (Natriumhydrogencarbonat), Ätzsoda (Ätznatron, Natriumhydroxid), aber auch mit Kohlendioxid versetztes Wasser (Kurzform für Sodawasser, ursprl. ein Natriumhydrogencarbonat enthaltendes, mit Kohlendioxid angereichertes Wasser).

Auch Natriumhydrogencarbonat wird als (Speise-)Soda bezeichnet. Es ist Hauptbestandteil von Backpulver. Eine andere Bezeichnung dafür ist Natron. Sie kommt (laut Duden unter Einfluss von frz. und engl. natron von span natrón, dieses) von ar. نطرون naṭrūn „Natron, Borax“[7]. Vgl. gr. νίτρον nítron (att. λίτρον lítron) „Natron“, hebr. נֶ֫תֶר nǽtær ds. (z.B. Jer 2,22). Ursprung ist wohl äg. nṯrj ds.[8]

Als man erkannte, dass Pottasche und Soda/Natron chemisch unterschiedliche Dinge sind, nannte man das dem Soda/Natron zugrundeliegende Element im Engl. sodium, im Dt. Natrium.

Borax ist der Trivialname für Natriumtetraborat, in der frühen Neuzeit wurden auch andere Stoffe damit bezeichnet, z.B. Malachit. Es ist mlat. borax, das (nach Kluge über iberoroman. Zwischenstufen) von ar. بورق bauraq, būraq „Borax, Salpeter“[9] herstammt, das seinerseits von pers. بُورَهْ būra (auslautendes -h ist im Pers. in der Regel stumm) „Salpeter, Borax; Teig; Würfelzucker“[10] kommen soll. Der Online-Pons s.v. kennt es nur als Dari-Wort für „Zucker“. Das dem Borax zugrundeliegende Element wurde mit einer Kürzung des Wortes Bor genannt.

Die Behauptung des Wikipedia-Art. Borax, „die Bezeichnung bezieht sich möglicherweise auf die arabische Bedeutung ‚weiß‘“, kann ich nicht nachvollziehen. Welches Wort soll das sein? Es wäre schön, wenn Wikipedia-Autoren mehr nach den Primärquellen suchen würden, statt nur auf Sekundärliteratur zu verweisen oder auf andere Seiten zu verlinken, die ohne Nennung von Primärquellen irgendwas behaupten.

Salpeter ist der Trivialname einiger Nitratverbindungen, insbes. Natriumnitrat (Chilesalpeter) und Kaliumnitrat (Kalisalpeter). Das Wort kommt von mlat. salpetra, sal(l)epetra, das entspricht vermutlich lat. sal petrae „Salz des Steins“ (weil er sich an Steinen bildet). Kluge sieht in Salpeter allerdings eine Umbildung aus mhd. salniter von lat. sal nitrum (s.o. gr. nítron) „Natronsalz“. Dagegen spricht m.E., dass beide Wörter nebeneinander vorkommen: „salpeter, wenne er gelûtert ist, so haiszet er nit mêr salpeter, er haiset salniter“.[11]

  1. Steingass, F[rancis]: The student's Arabic-English dictionary.– London: Lockwood, 1884. s.v. قلى, S. 854b
  2. Steingass. s.v. نطرون, S. 1128a
  3. Erman, Adolf; Grapow, Hermann: Wörterbuch der aegyptischen Sprache. Bd. 2.– Leipzig: Hinrichs, 1928. s.v. nṯrj, S. 366
  4. Steingass. s.v. بورق, S. 150b
  5. Steingass, F[rancis Joseph]: A comprehensive Persian-English dictionary. Including the Arabic words and phrases to be met with in Persian literature.– London: Routledge & Kegan, 1892. Ndr. Neu-Delhi: Oriental Reprint, 1973. s.v. بوره, S. 206b;
    zur Vokalisierung s. Freytag, Georg Wilhelm: Lexicon Arabico-Latinum.– Bd. 1. Halle: Schwetschke u. Sohn, 1830. s.v. بَوْرَقٌ, S. 171b
  6. Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Bd. 2.– Leipzig: Hirzel, 1876. s.v. salniter, Sp. 585

Almanach

Ein Almanach ist ursprünglich ein Kalender mit astronomischen Angaben (Sonnenauf- und -untergänge, Solstitien und Äquinoktien, Mondphasen etc.), ein Jahrbuch. Er wird im Laufe der Zeit um zusätzliche Angaben und Texte erweitert (Feier- und Jahrestage, Tips für den Gärtner, Rezepte, aktuelle Postgebühren, etc.).[12] Zuletzt ist es eine periodisch (meist jährlich) erscheinende Sammlung von Texten (Musenalmanach etc.).

Das Wort ist entlehnt aus mniederl. almanag, dieses aus mlat. almanach (du Cange erklärt es als „Ephemeris, seu Kalendarium“). Vgl. frz. almanach [almana(k)], it. almanacco, span. almanaque, engl. almanac(k) [ˈɔːlmənæk]. Ab hier verliert sich die Spur.

Die meisten Etymologen nehmen heute Herkunft aus ibero-ar. al-manāḥ an. Die Existenz dieses Wortes wird bezeugt von Pedro de Alcalá.[13] Doch ist die Herkunft des Wortes unklar. Verschiedentlich wird ein gr. Wort als Ursprung angenommen, das bei Eusebios, Praeparatio evangelica 3,4,1 (92b) belegt ist:[14] die Textausgaben von Gifford und Mras haben ἐν τοῖς Ἀλμενιχιακοῖς.[15] Der Ursprung dieses Wortes soll im Kopt. liegen. Doch hat (wenn ich den Apparat bei Mras richtig verstehe) H. R. Schwyzer σαλμεσχινιακοῖς konjiziert, ein Wort, das sich bei Jamblichus, De mysteriis 8,4 findet (wo die Handschriften aber auch etliche Varianten bieten).[16] Bedeutung und Etymologie dieses Wortes sind ein Problem für sich.

A. P. Pihan leitet den Almanach vom Verbum هنح manaḥ „geben, schenken, gewähren“ her (davon die Subst. منح manḥ „Gabe, Gewährung“ und منحة minḥa(t) „Geschenk; Gefallen, Spende“), im Sinne eines Neujahrsgeschenkes.[17] Diese Deutung hat sich auch der Wikipedia-Art. Almanach zu eigen gemacht (Stand Nov. 2023). Der frz. Wiktionary-Art. almanach verweist auf ar. مُنَوَّقْ munawwaq, Part. Pass. des II. Stammes der Wurzel نوق (nawwaqa/tanwīq, Steingass: „break in camels“), das nach Salmoné und Biberstein Kazimirski soviel wie „abgerichtet; befruchtet; angeordnet“ bedeutet.[18] (Die dritte Bedeutung soll Anlass der Namensgebung gewesen sein.)

Das Französische Etymologische Wörterbuch (FEW) zitiert die Auffassung von Peeters (d.i. vermutlich der belgische Jesuit Paul Peeters, 1870-1950), der auf syr. ܠܡܰܢܚܰܝ le-manḥaj „nächstes Jahr“ (Peschitta Lk 13,9) verweist: „Semantisch ist der übergang zu ‚zeittafel‘ leicht verständlich. konnte im ar. leicht als der artikel al- aufgefasst werden.“[19] (Das erscheint mir, allerdings in Unkenntnis von Peeters' Argumenten, nicht sonderlich plausibel: wie kommt hier das Syrische ins Spiel?) Einer anderen Theorie zufolge ist das Wort identisch mit مُنَاخ munāḫ, auch مَنَاخ manaḫ, „nächtlicher Rastplatz für Kamele, Station auf einer Reise“ (vom Verbum نوخ „niederknien, sich niederlegen“, vom Kamel)[20]. Daraus soll sich die Bedeutung „Tierkreiszeichen“ (gleichsam als Stationen der Sonne) entwickelt haben.[21] Ablehnend dazu schon Dozy.[22]

Weitere Etymologien im Oxford English Dictionary[23], z.B. Herleitung von lat. manac(h)us („a circle in a sun-dial showing the months or signs of the zodiac“) bei Vitruv 9,7,6. Doch ist das ein Phantomwort, deshalb lesen heutige Textausgaben an dieser Stelle menaeus „monatlich“.[24]

  1. Typische Beispiele sind:
  2. [Alcalá, Pedro de:] Vocabulista aravigo en letra castellana.– o.O. [Granada], o.J. [1505]. S. 43: „Almanaque. Manāk. manakīt.“ S. 94: „calendario. manāk. manakīt.“ Möglicherweise dasselbe Wort könnte gemeint sein mit: S. 450: „relox del sol. manāh. manahīt.“ (Alcalá transkribiert unsystematisch „nach Gefühl“, hier ist offenbar k = خ , h = ح . Vgl. auch: Pezzi, Elena: El vocabulario de Pedro de Alcala.– Almeria: Cajal, 1989. S. 46, S. 96, S. 443)
  3. So noch bei Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 18. Aufl., bearb. v. Walther Mitzka.– Berlin: de Gruyter, 1960. s.v. Almanach, S. 15a
  4. Eusebii Pamphili Evangelicae praeparationis libri XV. Hrsg. v. E[dwin] H[amilton] Gifford. Bd. 1.– Oxford: Univ. Pr., 1903. S. 123;
    Eusebius, Werke. Bd. 8: Die Praeparatio Evangelica. Hrsg. v. Karl Mras. T. 1.– Berlin: Akademie-Verl., 1954. S. 116;
    Du Cange zitiert ἐν τοῖς λεγομένοις Ἀλμεναχοῖς; Du Cange [Du Fresne, Charles]: Glossarium ad Scriptores mediae et infimae Graecitatis. Bd. 1.– Lyon: Anisson, Posuel, Rigaud, 1688. s.v. ἀλμεναχόν, Sp. 54
  5. Jamblichi De mysteriis liber. Hrsg. v. Gustav Parthey.– Berlin: Nicolai, 1857. S. 266
  6. Pihan, A[ntoine] P[aulin]: Dictionnaire étymologique des mots de la langue Française dérivés de l'Arabe, du Persan ou du Turc.– Paris: Impr. impériale, 1866. s.v. almanach, S. 31f
  7. H. Anthony Salmoné. An Advanced Learner's Arabic-English Dictionary. Beirut. Librairie du Liban. 1889. s.v. مُنَوَّق: „[ N. P. a. II], Broken in. b. Fertilized. c. Arranged.“
    Biberstein Kazimirski, A[lbert] de: Dictionnaire Arabe-Français. Bd. 2.– Paris: Maisonneuve et Cie, 1860. s.v. مُنَوَّقٌ, S. 1370b: „1. Dompté, dressé (chameau). 2. Fécondé par le pollen du palmier mâle (palmier femelle). 3. Disposé en ordre, par série.“
  8. Französisches Etymologisches Wörterbuch (FEW). Vol. 19: Orientalia. s.v. manāḫ, S. 120a; „Peeters (bei Bidez)“ dürfte vermutlich dieser Aufsatz sein, den ich aber online nicht einsehen konnte: Bidez, Joseph: „Le nom et l’origine de nos almanachs“, Mélanges Émile Boisacq 1 (1937), S. 77-85
  9. Lane, Edward Williams: An Arabic-English lexicon […]. T. 8.– London, Edinburgh: Williams and Norgate, 1893. s.v. مُنَاخٌ, S. 2864c
  10. Diccionario crítico etimológico Castellano e Hispánico. Hrsg. v. Joan Corominas unter Mitarb. v. José A. Pascual. Bd. 1.– Madrid: Gredos, 1980. Ndr. 1984. s.v. Almanaque, S. 184
  11. Dozy, R[einhart]: Supplément aux dictionnaires Arabes. Bd. 2.– 2. Aufl. Leiden: Brill, Paris: Maisonneuve, 1927. s.v. مُنَاخ, S. 734b
  12. The Oxford English Dictionary. Being a corr. reissue […] of A New English Dictionary on historical principles, hrsg. v. James A. H. Murray u.a.– Bd. 1. Oxford: Clarendon, 1913. Ndr. 1970. s.v. Almanac, S. 244c
  13. Vitruvii De architectura libri decem. Hrsg. v. F[riedrich] Krohn.– Leizpig: Teubner, 1912. S. 217, Z. 12;
    dt. Übers.: Des Vitruvius zehn Bücher über Architektur. Übers. u. durch Anm. u. Risse erl. v. Franz Reber.– Stuttgart: Krais & Hoffmann, 1865. S. 282

Alchemie, Chemie


Ausschnitt aus: Pieter Bruegel der Ältere, Der Alchimist, Feder auf Tinte, 1558. Kupferstichkabinett Berlin.– Quelle: Wikimedia.– Urheber: Pieter Bruegel Complete Catalog.– Lizenz: gemeinfrei.– Bearbeitung: verkleinerter Bildausschnitt, automat. Abgleich.

Ein altes Bonmot sagt: „Wenn es sich bewegt, ist es Biologie; wenn es stinkt, ist es Chemie; wenn es nicht funktioniert, ist es Physik.“ Richtige Aussprache laut Duden: [çeˈmiː] (mit ch wie in ich), in Deutschland sagt man aber häufig Schemie, in Österreich Kemie.

Chemie ist eine Verkürzung von Alchemie (auch Alchimie geschrieben). Dieses vom mlat. alchimia, von frz. alchimie, von span. alquimia, dieses von ar. (Artikel +) كيهيا kı̄mijāʾ „Elixier, Stein der Weisen; Chemie, Alchemie“[25]. Dieses Wort hat keine ar. Etymologie. Die von Bochart behauptete Abkunft von كَمَّ kamma „zudecken, verbergen“ im Sinne einer „verborgenen, geheimen Kunst“ wird allgemein abgelehnt.

Das Elixier kommt aus splat. elixirium, dieses von ar. إكسير ʾiksīr „Wundheilungspulver“, dann „Allheilmittel, Stein der Weisen“, von gr. ξήριον xḗrion (Pape) bzw. ξηρίον xēríon (Lidell/Scott) „austrocknendes Pulver für Wunden, Heilmittel“ (zu ξηρός „trocken“).

Der sog. Stein der Weisen (lat. lapis philosophorum „Stein der Philosophen“) ist in der Alchemie jene Substanz, die unedle Metalle in edle Metalle (also in erster Linie in Gold) verwandeln kann. Da es (was man aber nicht wusste) eine solche Substanz nicht gibt, konnte man trefflich darüber spekulieren und allerhand Nonsens behaupten.

Das ar. Wort wird auf zwei Weisen gedeutet. Einerseits führt man es zurück auf gr. χυμεία, χημεία, nach Frisk „die Kunst der Metallverwandlung“[26], nach Lidell/Scott/Jones „art of alloying metals, alchemy“[27], nach Pape = χύμευσις „Vermischung, Vermengung“[28]. Dieses wohl von χύμα „Ausgegossenes, Guß“, zum Verbum χέω „gießen“, < *χέϝ-ω, Schwundstufe χυ-. (Die Form χημεία bleibt dabei unerklärt.) Da das ar. Wort ursprl. eine Substanz bezeichnet, wollten es manche von gr. χυμός chymós „Saft, Flüssigkeit“ (wohl ebenfalls von χέω) herleiten.[29]

Mein Ägyptischlehrer bevorzugte Herleitung von äg. I6|G17|D3 km „schwarz“. Alchemie wäre dann die Schwärzung, eine alchemistische Operation, die für die Metallumwandlung notwendig ist.[30] Alternativ wäre die Herleitung von äg. I6|G17|X1-O49 km.t „die Schwarze“ = „Ägypten“ (d.i. das Kulturland i. Ggs. zu „der Roten“ = „Wüste“), kopt. ⲕⲏⲙⲉ kēme (sahid.), ⲭⲏⲙⲓ khēmi (bohair.)[31], bei Plutarch mit Χημία Chēmía wiedergegeben. Alchemie wäre dann die „ägyptische Kunst“.[32]

  1. Steingass. s.v. كيهيا, S. 903b
  2. Frisk, Hjalmar: Griechisches etymologische Wörterbuch. Bd. 2.– Heidelberg: Winter, 1970. s.v. χυμεία, S. 1124
  3. Henry George Liddell. Robert Scott. A Greek-English Lexicon. Revised and augmented throughout by Sir Henry Stuart Jones. With the assistance of Roderick McKenzie. Oxford: Clarendon Press, 1940. s.v. χυμεία
  4. Pape, W[ilhelm]: Griechisch-Deutsches Handwörterbuch. Bd. 2.– 3. Aufl. bearb. v. M[ax] Sengebusch. Braunschweig: Vieweg u. Sohn, 1880. s.v. χῡμεία / χῡμευσις [sic!], S. 1384b
  5. Gildemeister, J.: „Alchymie“, Zeitschrift d. Dt. Morgenländ. Ges. 30 (1876), S. 534-538
  6. Hoffmann, G.: Art. Chemie, in: Handwörterbuch der Chemie. Hrsg. v. [Albert] Ladenburg. Bd. 2.– Breslau: Trewendt, 1884. S. 525ff.
    „Nun wird die Metallverwandlung stets als Färbekunst aufgefasst. Die Farbe, nicht sowohl die »äusserliche«, als vielmehr die »innerliche«, d. h. so viel als möglich alle übrigen Eigenschalten der Metallindividualität einschliessende, entscheidet für letztere. Darnach besteht die Arbeit aus drei einander folgenden Operationen: der Schwärzung, Weissung und Gilbung. Da Silber und Gold als Ziel vorschweben, werden die letzten beiden am meisten genannt. Aber die vorhergehende »Schwärzung« ist conditio sine qua non.“ (S. 526)
  7. Spiegelberg, Wilhelm: Koptisches Handwörterbuch.– Heidelberg: Winter, 1921. s.v. ⲕⲏⲙⲉ, S. 41; s.a. Vom Schwarzen, Roten und Toten Meer#Sonstige Farben
  8. Pott, A. F.: „Chemie oder Chymie?“, Zeitschrift d. Dt. Morgenländ. Ges. 30 (1876), S. 6-20

Almosen

Almosen „mildtätige, barmherzige Gabe“ kommt nicht aus dem Ar., sondern über mlat. elemosina vom gr. ἐλεημοσύνη eleēmosýnē „Mitleid, Barmherzigkeit; Wohltätigkeit, vom Adj. ἐλεήμων eleḗmōn „mitleidig, barmherzig“, vom Verbum ἐλεέω eleéō „Mitleid haben, sich erbarmen, bedauern“, vgl. κύριε, ἐλέησον ἡμᾶς kýrie, eléēson hēmás „Herr, erbarme dich unser“ (Mt 20,30), in spätantik-mittelgriech. Aussprache des Eta als i: Kyrie eleison, verkürzt Kyrieleis. Das Verbum ist abgeleitet vom Subst. ἔλεος éleos „Mitleid, Erbarmen“; weitere Etymologie unbekannt, erwogen wird Herkunft von einer Interjektion wie ἐλελεῦ eleleú (unübersetzbarer Schlachten- und Weheruf, Menges und Gemolls Wiedergabe „Hallo“ treffen es nicht ansatzweise).

Algol


Perseus mit dem Haupt der Medusa, Bronzeskulptur von Benvenuto Cellini (1554), in der Loggia dei Lanzi, Florenz.

Algol ist der Name des zweithellsten Sterns im Sternbild Perseus, daher bei Bayer als β (Beta) Persei bezeichnet. Es ist ein bedeckungsveränderlicher Stern: zwei Sterne umkreisen einander mit einer Periode von nicht ganz 69 Stunden und bedecken einander dabei von der Erde aus gesehen. Mit dieser Periode schwankt daher die scheinbare Helligkeit. (Ein dritter Stern umkreist die beiden anderen, führt aber zu keiner Helligkeitsänderung.)

Der Name Algol kommt vom ar. الغول al-ġūl „der Ghul, Dämon“ (eigentlich رأس الغول raʾs al-ġūl „Haupt des Ghuls“). Ein Ghul (von غال ġāla „nehmen, packen, vernichten“) ist ein Dämon, der seine Gestalt verändern kann und so Reisende in der Wüste vom Weg ablockt und sie verschlingt; ersatzweise frisst er auch das Fleisch von Leichen.[33] Grund für diese Namensgebung mag sein, dass schon den arabischen Astronomen die Helligkeitsschwankung aufgefallen ist, die damals aber unerklärlich war. Vielleicht handelt es sich aber auch um eine Arabisierung des gr. Namens.[34] In der griechischen Astronomie ist Algol das Haupt der Medusa, das Perseus in der Hand hält.

So gibt Ptolemäus in seinem Sternenkatalog im 7. Buch des Almagest die Position des Algol folgendermaßen:
μῆκος πλάτος μέγεθος
τῶν ἐν τῷ γοργονίῳ ὁ λαμπρός Κριοῦκθ Γ° βοκγ βʹ
Länge Breite Größe
von denen im Gorgonenhaupt der glänzende des Widders29⅔ (?) nördl.23 2
[35]
Vitruv bemerkt im 9. Buch seines Werkes (9,4,2-3):
tauri quidem et arietis insuper Perseus […] et manu dextra innitens Cassiepiae simulacro, laeva supra tauri tenet gorgoneum, ad summum caput subiciens Andromedae pedibus. Über Stier und Widder [steht] freilich Perseus […], und mit der rechten Hand sich auf das Bild der Kassiopeia stützend hält er in der linken das Gorgonenhaupt über den Stier, der Andromeda das höchste Haupt (?) zu Füßen legend.
[36]
Der lat. Text ist offenbar beschädigt, die Übersetzung daher nur näherungsweise.
Manilius dramatisiert den Sternenhimmel (1,354-360):
[…] Cepheusque et Cassiepia Cepheus und Kassiopeia,
355 in poenas signata suas iuxtaque relictam zu ihrer Bestrafung gekennzeichnet, und nahe der zurückgelassenen
Andromedam vastos metuentem pristis hiatus, Andromeda, die die ungeheuren Schlünde des Meerungeheuers fürchtet,
expositam ponto deflet scopulisque revinctam, beweint die dem Meer ausgesetzte und an Klippen festgebundene,
ni veterem Perseus caelo quoque servet amorem wenn nicht Perseus auch am Himmel die alte Liebe bewahrte
auxilioque iuvet fugiendaque Gorgonis ora und mit Unterstützung hülfe und das zu fliehende Antlitz der Gorgo
360 sustineat spoliumque sibi pestemque videnti. emporhielte, Beute für ihn und Verderben für den Betrachter.
[37]
Vielleicht ist iuxta hier Adv.: „und beweint die nahebei zurückgelassene Andromeda“.
Wer das Antlitz der Medusa anblickt, erstarrt bekanntlich zu Stein.

Der Buchtitel Almagest (lat. almagestum) kommt vom ar. اَلْمَجِسْطِيّ al-maǧisṭī, das ist der Titel der ar. Übersetzungen von Ptolemäus' Werk μαθηματικὴ σύνταξις „mathematische Aufstellung“ (lat. syntaxis mathematica). Woher der Superlativ μεγίστη megístē „größte“ (fem.) stammt, ist nicht wirklich geklärt. Man vermutet einen alternativen Titel wie μεγίστη σύνταξις megístē sýntaxis „größte Aufstellung“ als Ursprung.[38]

Für Chilmeads Behauptung „for that Star […] is called […] in Hebrew Rosch hassatan [d.i. רֹאשׁ הַשָּׂטָן], the Divels head“[39] habe ich keine Belege gefunden. Wenn sie stimmt, dann wird es sich ohnedies nur um eine Übersetzung des ar. Namens handeln; aber ich halte sie für eine Mär. (Die hebr. Wikipedia-Seite zum Algol übersetzt den ar. Namen mit "ראש השד" rôš haš-šed „Kopf des Dämons“.)

ALGOL ist auch Abkürzung für „Algorithmic Language“, das ist eine Familie (zumindest ursprünglich) prozeduraler Programmiersprachen der 1950er und 1960er Jahre.

  1. z.B. in der Geschichte des Sidi Numan, 564. Nacht der dt. Ausgabe: Tausend und eine Nacht. Arabische Erzählungen. Übers. v. Gustav Weil. Bd. 3.– Pforzheim: Dennig, Finck & Co., 1841. S. 340f
  2. Allen, Richard Hinckley: Star names. Their Lore and Meaning.– Mineola: Dover, 1963. Ndr. der Ausg. 1899. S. 332
  3. Claudii Ptolemaei Opera quae exstant omnia. Bd. 1: Syntaxis mathematica. Hrsg. v. J[ohan] L[udvig] Heiberg. T. 2: Buch 7-13.– Leipzig: Teubner, 1903. S. 62, letzte Z.
    dt. Übers.: Des Claudius Ptolemäus Handbuch der Astronomie. Bd. 2. A. d. Griech. übers. u. m. erkl. Anm. vers. v. Karl Manitius.– Leipzig: Teubner, 1913. S. 38
  4. Vitruvii De arch., ed. Krohn (s.o. Fußnote [24]). S. 210;
    dt. Übers. Reber. S. 274
  5. M. Manilii Astronomica. Hrsg. v. Jacob van Wageningen.– Leipzig: Teubner, 1905. (Bibliotheca script. Graec. et Roman. Teubneriana) S. 13f
  6. Almagest#Names.– Wikipedia en
  7. A Learned Treatise of Globes. Both Coelestiall and Terrestriall, with their several uses. Written first in Latine, by Mr. Robert Hues […]. And now lastly made English […] By John Chilmead.– London: Kemb, 1659. S. 93

Aldebaran

Aldebaran ist der hellste Stern im Sternbild Stier, daher bei Bayer als α (Alpha) Tauri bezeichnet. Er ist ein roter Riese mit hoher Leuchtkraft. Genau genommen ist er ein Doppelstern mit geringer Helligkeitsschwankung.

Der Name stammt von ar. الدَّبَران ad-dabarān, was laut Wikipedia-Art. Aldebaran „der (Nach-)Folgende“ bedeute, weil er den Plejaden folgt. Die neueren Wörterbücher (Wehr, Pons online, Langenscheidt online) kennen dieses Wort gar nicht. Steingass sagt zumindest: „دبران dabarân, fourth station of the moon; name of a star (bull's eye)“.[40] Ausführlicher Lane:

الدَّبَرَانُ [The Hyades: or the five chief stars of the Hyades: or the brightest star among them, α of Taurus:] five stars of Taurus, said to be his hump; (;) one of the Mansions of the Moon; [namely, the Fourth;] a certain star, or asterism, between الثُّرَيَّا [or the Pleiades] and الجَوْزَآءُ [or Orion], also called التَّابِعُ and التُّوَيْبِعُ; (T;) it follows الثريّا, (T, M,) and therefore is thus named. (T.)[41]

Als lunar mansion oder station, dt. Mondhaus (ar. manzil) bezeichnet man einen der 28 Abschnitte der Ekleptik, die der Mond innerhalb eines Jahres durchläuft. Das 4. Haus heißt im Ar. Aldebaran.

Es besteht vermutlich kein Zweifel, dass das Wort vom Verbum دبر dabara abgeleitet ist; dessen Bedeutung wird von Steingass mit „letzter sein, nachkommen, folgen“ angegeben, von Lane mit „er folgte hinter seinem Rücken, er folgte ihm“. Der Online-Pons s.v. nennt nur noch Stamm II (dabbara „planen, leiten“), IV (ʾadbara „entfliehen“), V und VI. Wehr nennt „den Rücken kehren; entschwunden, vergangen sein (Zeit)“; das ist aber doch wohl eher die Bedeutung des IV. Stammes. Hier hat sich anscheinend im modernen Ar. die Bedeutung verschoben.

  1. Steingass. s.v. دبران, S. 352b
  2. Lane. s.v. الدَّبَرَانُ, S. 847a

Beteigeuze


Foto des Sternbilds Orion mit Beschriftung der größeren Sterne als Tooltip (mit der Maus überfahren). Beteigeuze ist der helle oben.– Quelle: Wikimedia.– Urheber: H. Raab (User:Vesta), 2012.– Lizenz: CC BY-SA 4.0 Deed.– Bearbeitung: beschnitten, verkleinert, Kontrast erhöht. Beteigeuze, α Orionis Rigel, β Orionis Bellatrix, γ Orionis Saiph, κ Orionis Alnitak, ζ Orionis Alnilam, ε Orionis Mintaka, δ Orionis λ Orionis η Orionis Orionnebel (M42) und θ Orionis β Erídani ι Orionis

Zeichnung des Orion in einer Handschrift von As-Sufis Sternenbuch, wie er auf einem Himmelsglobus erscheinen würde, daher seitenverkehrt; Beteigeuze in Cyan hervorgehoben.– Quelle: Wikimedia.– Urheber: The Bodleian Libraries, Oxford, MS. Marsh 144.– Lizenz: CC BY 4.0 Deed .– Bearbeitung: beschnitten, verkleinert, Gradation angepasst, Beteigeuze eingefärbt.

Beginnt nicht mit Al-, ist aber trotzdem interessant. Der Stern heißt auf Dt. Beteigeuze, der offizielle Name der IAU lautet aber Betelgeuse. Im Engl. wird das häufig genauso ausgesprachen wie beetle juice „Käfersaft“. (Es gab 1988 eine Horrorkomödie mit diesem Titel, in der die namensgebende Figur, gespielt von Michael Keaton, eigentlich Betelgeuse heißt.)

Beteigeuze ist ein roter Überriese im Sternbild Oríon, er heißt bei Bayer α (Alpha) Ōrīṓnis, obwohl er nur der zweithellste Stern des Sternbilds ist. Er befindet sich an der (vom Betrachter aus gesehen) linken Schulter des Orion. Beteigeuze hat den 800-fachen Durchmesser der Sonne und wird eines Tages in einer Supernova enden, die auf der Erde annähernd so hell sein wird, wie ein Vollmond.

Ehre, wem Ehre gebührt: die Quellenhinweise verdanke ich in erster Linie Merriam-Webster, Betelgeuse Definition & Meaning. Der Name erscheint in älteren Quellen in unterschiedlicher Form. In den Alfonsinischen Tafeln von 1492 ist er Beldelgenze geschrieben.[42] Bei Scaliger heißt es dann:

Sane ita Arabibus dictus videtur, quum stellam in humero positam vocant باط الجوزا Betelgeuze. Axillam Geuze. Nam جوزه est, quam vulgo vocant Nucem iuguli, hoc est guttur, […] Gewiss scheint er (Orion?) auch von den Arabern so (?) genannt worden zu sein, da sie den Stern, der an der Schulter liegt, bāṭ al-ǧauzāʾ, Betelgeuze, Achselhöhle des Geuze, nennen. Denn ǧauza ist (das), was sie gewöhnlich Nuss des Schlüsselbeins (oder: der Kehle) nennen, d.h. Gurgel, […]
[43]

Mir unklar, was genau Scaliger sagen will. Offenbar spielt er darauf an, dass im Lat. iugulae oder Sg. iugula (ungefähr so viel wie „verbunden, nebeneinander stehend“) die drei Gürtelsterne des Orion bezeichnet. Gelegentlich scheint das ganze Sternbild damit gemeint zu sein (z.B. Plaut. Amph. 275). Scaliger bezieht es aber anscheinend auf die Schulter des Gestirns, d.h. die Linie α-λ-γ.

Al-ǧauzāʾ ist der ar. Name des Sternbilds Zwillinge, aber auch des Orion. Der Name angeblich, weil das Sternbild den جوز ǧauz „Mitte; Nuss“ des Himmels überquert.[44] Ein anderer Name ist الجبار al-ǧabbār „der Riese“. So wird das Sternbild auch heute im Ar. genannt.

Scaligers Namensform Betelgeuze hat auch Bayer in seiner Uranometria übernommen. Allerdings heißt باط bāṭ nicht „Achselhöhle“. Ideler hält es für ein Versehen und korrigiert es in ابط ʾibṭ „Schulter, Achsel(höhle)“.[45] Doch schon lange vorher hatte Thomas Hyde es für eine Fehllesung des ar. يد jad „Hand“ gehalten:

Stella secunda Ulugh Beigho dicitur منكب الجوزا Menkib AlGjauzâ, i. Humerus Orionis, & يد الجوزا اليمني Jed AlGjauzâ AlJúmma, i. Manus dextra Orionis. Der zweite Stern wird von Ulugh Beg mankib al-ǧauzāʾ, d.h. „Schulter des Orion“, genannt und jad al-ǧauzāʾ al-jumnā, d.h. „rechte Hand des Orion“.
At pro Jed AlGjauzâ, vulgò legitur vitiosè Beit Algeuse, & c. Suphius vocat ذراع الجوزا Dirâ AlGjauzá, i. Brachium Orionis. Aber statt jad al-ǧauzāʾ wird gewöhnlich fälschlicherweise Beit Algeuse usw. gelesen. As-Sufi (?) nennt (ihn) ḏirāʿ al-ǧauzāʾ, d.h. „Arm des Orion“.
[46]

Tatsächlich ist bereits im كتاب صور الكواكب Kitāb ṣuwar al-kawākib „Buch der Formen der Sterne“ des persischen Astronomen ʿAbd ar-Raḥmān aṣ-Ṣūfī (10. Jh.) Beteigeuze mit يد الجوزا jad al-ǧauzāʾ „Hand des Orion“ beschriftet (s. nebenstehende Abb.). Heute gilt es anscheinend als ausgemacht, dass unser Sternname von dieser ar. Bezeichnung herstammt.[47] Aufgrund einer Verwechslung der Initialform der ar. Buchstaben يـ jāʾ und بـ bāʾ wurde der Name im lat. Westen mit b- gebildet.

  1. Tabule Astronomice Alfonsi Regis.– Venedig: Santritter, 1492. ohne Pagin., S. 119
  2. Iosephi Scaligeri Iul. Caes. f. Castigationes et notae in M. Manili Astronomicon.– Leiden: Raphelengius [van Ravelingen], 1600. S. 482
  3. Lane. s.v. الجَوْزَآءُ, S. 485c
  4. Ideler, Ludewig: Untersuchungen über den Ursprung und die Bedeutung der Sternnamen. Ein Beytrag zur Geschichte des gestirnten Himmels.– Berlin: Weiss, 1809. S. 223, Fn. 4
  5. جداول مواضع ثوابت در طول وعرض كه برصد يافته است الغ‌ بيك بن شاهرخ بن تيمور sive tabulae long. ac lat. stellarum fixarum, ex observatione Ulugh Beighi, Tamerlanis Magni Nepotis, Regionum ulta citráque Gjihun (i. Oxum) Principis potentissimi. Hrsg. v. Thomas Hyde.– Oxford: Hall, 1665. Comment. S. 46 (für den kalligraphisch geschriebenen ar. Buchtitel lege ich meine Hand nicht ins Feuer)
  6. Kunitzsch, Paul: Arabische Sternnamen in Europa.– Wiesbaden: Harrassowitz, 1959. (War mir leider nicht vollständig zugänglich.)

Rigel

Wenn wir schon dabei sind: der hellste Stern im Orion ist Rigel, das ist der vom Betrachter aus gesehen rechte Fuß (nach anderer Interpretation das Knie). Er heißt bei Bayer β (Beta) Ōrīṓnis. Rigel ist ein Mehrfachsternsystem aus mind. 4 Sternen. Mit freiem Auge sieht man nur den blauen Überriesen Rigel A.

In den Alfonisinischen Tafeln heißt es über ihn:

Lucida que est in pede sinistro: et est communis ei et aque: et dicitur Alge bar Der helle, der am linken Fuß ist. Und er ist ihm [= dem Sternbild Orion] und dem Wasser [= dem Sternbild Eridanus?] gemeinsam. Und er heißt Algebar.
Nominatur etiam Rigel Er wird auch Rigel genannt.
[48]

Rigel ist die latinisierte Wiedergabe des ar. رِجْل riǧl „Fuß“ (vgl. hebr. רֶ֫גֶל rǽgæl ds.). Vollständig heißt der Stern رجل الجوزا اليسرى riǧl al-ǧauzāʾ al-jusrā „linker Fuß des Orion“.[49][50] (Zu al-ǧauzāʾ = Orion s.o.). Algebar geht wohl zurück auf ar. رجل الجبار riǧl al-ǧabbār „Fuß des Riesen“.

  1. Tabule Astronomice Alfonsi Regis (s.o. Fußnote [42]). S. 120
  2. z.B. auf der Abb. des Orion in einer Hs. vom Buch der Formen der Sterne des ʿAbd ar-Raḥmān aṣ-Ṣūfī (s.o. die Abb. zu Beteigeuze, in der allerdings die Beschriftung des Rigel links unten abgeschnitten ist)
  3. Steingass. s.v. رجل rajl, S. 405a; s.v. يسرى yusra, S. 1239b

Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 19. Dez. 2023