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Viel Zinnober um Purpur und Scharlach


Auf das Thema Farb(stoff)bezeichnungen für Rot bin ich durch die Lektüre von Ariost gestoßen. Er bezeichnet Karmesin als grana "Körner, Körnung". Wieso dies – und was ist Karmesin überhaupt?

 #A000A0  Purpur (engl. purple) ist ein aus der Purpurschnecke (Haustellum brandaris und Hexaplex trunculus) gewonnenes violettes Farbstoffgemisch (Hauptbestandteil chem. 6,6'-Dibromindigo C16H8Br2N2O2). Das Färbeergebnis konnte je nach Qualität des Farbstoffs, der Dauer der Lichteinwirkung und der Wiederholung des Färbens zwischen dunkelrosa und schwarzblau liegen. Purpur ist möglicherweise schon seit der Bronzezeit bekannt, in der Antike war er sehr begehrt. Doch braucht man für 1 g Purpur bis zu 10.000 Schnecken, daher war und ist echter Purpur sehr teuer (das Gramm heute weit über 1000 Euro). Mit dem Ende des Weström. Reiches scheint in Westeuropa die Kenntnis über den Purpur oder das Interesse an ihm verlorengegangen zu sein (mit der Plünderung Konstantinopels 1204 dann auch im Byzantin. Reich). Der Westen wandte sich dem Karmesin zu.

Purpur < lat. purpŭra < griech. πορφύρα, die weitere Herkunft ist unklar. Das AT unterscheidet zwischen einer blauvioletten Variante (hebr. תְּכֵלֶת tᵉḵelet, die LXX übersetzt meist mit ὑάκινθος) und einer roten (hebr. אַרְגָּמָן ʾargaman).

 #FF0030  Karm(es)in (engl. carmine, crimson) ist ein leuchtend hell- od. orangeroter Farbstoff (chem. Aluminiumsalz der Karminsäure). Es wird gewonnen aus der Kermesschildlaus (Coccus ilicis), die auf der Kermeseiche lebt, seit der Entdeckung Amerikas auch aus der wesentlich ergiebigeren Cochenilleschildlaus (Dactylopius coccus), die auf Disteln und Kakteen lebt. Als Farbbezeichnung versteht man darunter meist Rot mit einem Schuss Blau.

Das Wort kommt nach dem Online Etymology Dict., s.v. crimson von mlat. cremesinus < arab. قرمز qirmiz < skt. krmi-ja "wurmerzeugt" (krmih "Wurm" + -ja- "erzeugt" [idg. *gene-]).

Im Griech. wird die Kermeslaus bzw. der Karmesin κόκκος genannt (eigtl. "Kern (e. Frucht)"), Herkunft unbekannt. Als dt. Übers. findet sich oft "Scharlachbeere" (z.B. bei Pape, s.v. κόκκος) oder "Kermesbeere". Das ist insofern verwirrend, als das auch der dt. Name einer Pflanze ist (Phytolacca), deren Früchte ebenfalls zum Färben (z.B. von Rotwein) verwendet wurden. (Genaue Beschreibung in Merck's Warenlexikon, s.v. Kermes.)

Im AT heißt Karmesin meist תּוֹלַעַת שָׁנִי tôlaʿat šanî, wörtl. "Karmesinwurm" (תּוֹלֵעָה tôleʿah "Wurm, Kermeswurm", שָׁנִי šanî "Karmesinfarbe"), oder auch שָׁנִי šanî allein. Daneben gibt es noch das späte Wort כַּרְמִיל karmîl < pers. كرمين kirmîn.

 #FF3000  Scharlach (engl. scarlet) bezeichnet dem Wikipedia-Artikel Scharlach zufolge ursprl. ein qualitativ hochwertiges Wollgewebe (z.B. im Fabliaus de Coquaigne, V.128). Da er häufig mit Karmesin gefärbt wurde, wurde Scharlach zum Synonym für Karmesin. Als Farbname bezeichnet er ein leicht gelbstichiges Rot. Der gelegentlich genannte Scharlachwurm dürfte auf der alttestamentlichen Bezeichnung (s.o.) beruhen und steht für die Kermeslaus.

Das Wort kommt von mlat. scarlatum < arab. siqillat (od. pers. saqirlat) "feine Kleidung" < griech. σιγιλλᾶτος = lat. sigillatus "mit kleinen Figuren verziert" (lat. sigillum "Bildchen, kleine Figur, Siegel", Dem. v. signum "Zeichen") (s. Diskussion auf Wordorigins.org, „Origin of SCARLET“).

Die Krankheit Scharlach (med. (febris) Scarlatina) ist eine Infektion mit hämolysierenden Streptokokken, die gehäuft zw. dem 3. u. 10. Lebensjahr auftritt und unbehandelt (Antibiotika) zu schwerwiegenden Komplikationen führen kann. Typische Symptome sind Fieber, Angina, fleckige Rötung der Haut (diese war wohl namensgebend) und Himbeerzunge.

 #EF3020  Zinnober (engl. cinnabar, vermilion) ist ein rotes Mineral (mineralog. Cinnabarit, chem. Quecksilbersulfid HgS), das schon seit Jahrtausenden abgebaut und als roter Farbstoff verwendet wird. Als Farbname steht es ähnlich wie Scharlach für ein Rot mit leichtem Gelbton.

Das Wort kommt nach dem Etymologie-Duden von frz. cenobre < lat. cinnăbăris (nach Lewis/Short, s.v. cinnăbăris teils Zinnober, teils Drachenblut, d.i. aus verschiedenen Pflanzen gewonnenes rotbraunes Harz) < griech. κιννάβαρι (nach Liddell/Scott/Jones, s.v. κιννάβα^ρ-ι Zinnober, viell. a. Drachenblut, bei Ps.-Dsc. Färberkrapp). Lt. Wikipedia-Artikel Cinnabarit kommt es von pers. زینجیفرح zînǧîfraḥ "Drachenblut".

Andere Namen für Zinnober sind Minium (d.i. eigtl. Mennige) und Vermilion (< afrz. vermeillon < lat. vermiculus "Würmchen", also eigtl. Karmesin). Umgangssprachl. bezeichnet das Wort Zinnober wertloses Zeug, unsinnigen Aufwand, Blödsinn (warum, ist umstritten).

 #F04000  Mennig(e) (engl. minium, red lead) ist ein orange-rotes Mineral (mineralog. Minium, chem. Blei(II)-orthoplumbat Pb2[PbO4]), das bei Römern verwendet wurde, um die Gesichter von Götterstatuen, aber auch des Triumphators rot zu färben. Auch in der Malerei (nicht zuletzt der Buchmalerei) fand es Verwendung. In der Neuzeit wurde es als Rostschutzfarbe verwendet. Auf Grund seines Bleigehaltes ist Mennige mäßig toxisch.

Der dt. Name ist wohl eine Verballhornung des lat. minium. Umgangssprachl. bezeichnet das Wort manchmal auch rote Farbstoffe aus der Eisenoxidgruppe (s. Rötel) oder roten Anstrich (meist mit Rostschutzfarbe). Die Römer bezeichneten Mennig vermutl. als minium. Das Lexikon von Lewis/Short, s.v. mĭnĭum nennt eine Stelle (Prop. 2,2,21, aber das gibt's gar nicht, vermutl. ist 2,3,11 gemeint), an der minium "Zinnober" bezeichnet, aber mehrere, wo es "Mennig" bedeutet. Der Art. Minium von Fridolf Kudlien im Kleinen Pauly übersetzt es mit "Mennig", sagt dann aber, das Wort bezeichne den Zinnober.

 #B00000  Rötel (engl. ruddle, red ochre), ist ein rotes Mineral (mineralog. Hämatit, chem. Eisen(III)-oxid Fe2O3), das schon seit dem Paläolithikum abgebaut und für die Malerei und zum Schminken verwendet wird. Griech. μίλτος bezeichnet sowohl Rötel als auch Mennig.

 #FF0000  Die Antike hat zwischen den mineralischen Pigmenten Rötel, Mennig und Zinnober nicht klar unterschieden, diese sprachl. z.T. auch mit pflanzlichen wie Krapp und Drachenblut vermischt. Nur beim Purpur war auf Grund der Farbe und des Preises jede Verwechslung ausgeschlossen.

Die Farbbezeichnungen sind nicht genau definiert: die dt. Wikipedia nennt unter den jeweiligen Artikeln ganz andere RGB-Werte als die entsprechenden engl. Art., diese wieder andere als z.B. die HTML-Farbnamen.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 3. Jan. 2017