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Slawen, Wenden, Serben
Ehre, wem Ehre gebührt:
Die Geschichte der Ausbreitung der slaw. Völker ist verwickelt und ebenso ist es die Geschichte der Namen, mit denen diese Völker im Dt. belegt wurden.
Der heutige gebräuchliche Ausdruck Slawen geht zurück auf das
griech. Σκλαβηνοί (zuerst bei dem spätantik-frühbyzant. Historiker Prokopios
des 6. Jh.,
De bellis 7,14
[Link auf die Loeb-Ausgabe von Dewing 1962 bei Archive.org];
weitere Stellen im
Index
derselben Ausg.) bzw. sein lat. Pendant Sclaveni (bei dem röm.-got.
Historiker Jordanes des 6. Jh.,
Getica 34f.
[Link auf die Ausg. von Mommsen 1887 bei Archive.org]) und war wohl ein
slaw. Stammesname (aksl. Slověne, Sg. *Slověninъ), den wir
in verschiedenen Teilen des slaw. Gebietes finden: Slowenen, Slowaken,
Slowinzen (Pommern), Slawonen (Ostkroatien).
Die Etymologie ist unklar, meist wird es mit slaw. slovo „Wort“
(russ. слово, tschech. slovo, kroat. slovo „Buchstabe“)
in Verbindung gebracht. Die Slawen waren demnach die des Wortes (und d.h. der
Sprache) Fähigen, wohl i.Ggs. zu den
„stummen“
germ. Nachbarn. Nach anderen ist es von einem Eigennamen („Leute des
Slov“) oder Ortsnamen („Leute von Slov(a)“) abgeleitet.
Mikkola stellt es zu ir. slúag „Haufe, Heer“.
Auf der mgriech. Form σκλάβος (lat. sclavus) beruht auch unser Wort Sklave, wohl weil im MA die noch nicht christianisierten kriegsgefangenen Slawen häufig als Leibeigene zum Einsatz kamen. Der Slowene (oder Slawone) mutierte im Österr. zum Schlawiner (durchtriebener Mensch). Die Angehörigen slaw. Völker hatten in Österreich häufig einen schlechten Ruf (vgl. etwa den österr. Ausdruck böhmisch einkaufen für „stehlen“ und die abwertende Bezeichnung Tschusch für Südosteuropäer, deren Etymologie umstritten ist).
Eine andere Bezeichnung ist Wenden. In Dtl. werden damit
hauptsächlich Elbslawen bezeichnet, in Kärnten werden die Angehörigen der
slowenischsprachigen Minderheit als Windische bezeichnet. Das Wort
geht zurück auf den lat. Volksnamen Venedi (oder -ae,
Plin. nat. 4,97
[Link auf Text nach der Teubner-Ausg. von Mayhoff 1892ff. bei bibliotheca Augustana])
bzw. Veneti
(
Tac. Germ. 46, v.l. Venedi
[Link auf die komment. Ausg. von Schweizer-Sidler 1902 bei Archive.org]),
Venethae (Iord. Get. 34, s.o.),
griech. Ουενέδαι
(
Ptol. Geogr. 3,5,19f
[Link auf die Ausg. von Nobbe 1843 bei Archive.org], 2. Jh.) - nicht zu
verwechseln mit den ital. Venetern (auf dem Gebiet des heutigen Veneto) und
den gall. Venetern (zu Cäsars Zeiten in der heutigen Bretagne). Von daher
stammt auch die finn. Bezeichnung Russlands als Venäjä. Alle diese
Namen beruhen wohl auf idg. *u̯en-os „Verlangen, Liebe“ (< u̯en[ə]-
„umherstreifen, suchen nach, trachten“, vgl. lat. venus „Anmut,
Liebe(slust)“, evt. a. venor „jagen“, dt. Wonne, ge-winn-en,
Wunsch), bedeutet also „Beliebte, Freunde“.
Unklar ist, ob die Verbreitung dieses Volksnamens die Wanderungen eines Stammes wiederspiegelt oder ob der Name unabhängig von ethnologischen Gegebenheiten auf verschiedene Volksgruppen übertragen wurde. Hierzu gehört auch der lat. Name Lacus Venetus für den Bodensee (genauer: den Obersee) und vielleicht die Bergnamen Großvenediger (Hohe Tauern) und Venet(berg) (Ötztaler Alpen). (Doch scheint der Name Großvenediger jüngeren Datums zu sein, sodass er sich vielleicht auf die sog. Venediger(mandln)/ Venetianer/ Walen bezieht, die als Mineralsucher die Gebirge durchstreiften.)
Der Windhund (ahd. mhd. wint, noch ohne -hund) ist laut Etymologie-Duden (2. Aufl., 1989) ein wendischer Hund. Doch heißen die Wenden auf ahd. Winida. Vielleicht hat Heinrich Tischner recht, der es als Part. Präs. zu idg. u̯ei- „jagen“ (vgl. ahd. weida „Jagd, Futter(platz)“, nhd. Weid-mann „Jäger“) stellt.
Weitere Bezeichnungen slaw. Völker sind:
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 3. Jan. 2017