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Pudding
In einem Youtube-Video wird behauptet, das Wort Pudding stamme von einem lat. Wort, das „Wurst“ bedeutet. Das klingt plausibel, wenn man sich die Bedeutungen des engl. pudding ansieht. Aber stimmt es auch?
Das Wort pudding ist im Engl. seit Beginn des 14. Jh. belegt und bezeichnete ursprl. einen Tiermagen, der mit gehacktem Fleisch, Innereien, Fett (Rindertalg), Brot, Grütze, Gemüse und Gewürzen gefüllt und gekocht wurde. Wenn Blut und Hafergrütze zentraler Bestandteil sind, spricht man vom black pudding.
Eine ähnliche Art von Wurst (aber gebraten statt gekocht?) wird bereits in Homers Odyssee erwähnt. Dort sagt der Freier Antinoos (Hom. Od. 18,44f):
γαστέρες αἵδ’ αἰγῶν κέατ’ ἐν πυρί, τὰς ἐπὶ δόρπῳ Diese Mägen von Ziegen liegen am Feuer, die wir zum Abendessen κατθέμεθα κνίσης τε καὶ αἵματος ἐμπλήσαντες. uns hingelegt haben, nachdem wir sie mit Fett und Blut angefüllt haben.
Als sich ein Faustkampf zwischen dem Bettler Iros und dem als Bettler verkleideten Odysseus anbahnt, verspricht Antinoos, dass der Sieger sich eine dieser Blunzen (offenbar eine Delikatesse) als Siegespreis aussuchen darf.
Das bayrisch-österr. Wort für die Blutwurst wird auch abwertend von einer dicken oder dummen Frau verwendet („die blade/ blöde Blunzen“), und als Adj. bedeutet es dasselbe wie wurscht, nämlich „egal, gleichgültig“ („das ist mir blunzen“). Kommt laut Kluge von mhd. blunsen „aufblähen, aufblasen“.
Anfang des 17. Jh. wurde der Tierdarm durch ein Tuch ersetzt. Ein Fortschritt, denn jetzt konnte man Pudding nicht nur zur Schlachtzeit, sondern ganzjährig herstellen. Haggis, eine schottische Spezialität, wird bis heute im Schafsmagen (oder Kunstdarm) gekocht.
Erst später bezeugt ist der Christmas pudding oder plum pudding (plum „Pflaume“ im Sinne von „Dörrobst“?), ein Kuchen aus Trockenfrüchten, insbes. Rosinen, Rindertalg, Nüssen, Bröseln, Mehl, Eiern, Milch, häufig Brandy, und Gewürzen.
Ein einfaches Rezept für Plum Pudding aus dem Kochbuch des John Farley von 1787 geht so:
Plum Pudding boiled. Plum Pudding gekocht. CUT a pound of suet into little pieces, but not too fine, a pound of currants washed clean, a pound of raisins stoned, eight yolks of eggs and four whites, half a nutmeg grated, a tea-spoonful of beaten ginger, a pound of flour and a pint of milk. SCHNEIDE ein Pfund Nierenfett in kleine Stücke, aber nicht zu fein, ein Pfund sauber gewaschene Korinthen (oder Johannisbeeren?), ein Pfund entsteinte Rosinen, acht Eidotter und vier Eiweiß, eine halbe geriebene Muskatnuss, einen Teelöffel zerstampften Ingwer, ein Pfund Mehl und ein Pint Milch. Beat the eggs first, then put to them half the milk, and beat them together, and by degrees stir in the flour, then the suet, spice, and fruit, and as much milk as will mix it well together very thick. It will take five hours boiling. Schlage zuerst die Eier, dann gib die Hälfte der Milch dazu und schlage sie zusammen, rühre nach und nach das Mehl hinein, dann das Nierenfett, Gewürze und Früchte, und so viel Milch, wie sich gut sehr dick zusammenmischt. Es braucht fünf Stunden zum Kochen.
Man beachte, dass das Rezept keinen Zucker enthält! Die einzige Süßungsquelle sind die Trockenfrüchte. Daher dürften currants (Verballhornung von (raisins of) Corinth) hier „Korinthen“ (kleine, süße, kernlose Rosinen) sein. Zwar wird das Wort bereits seit dem späten 16. Jh. auch für Ribisel (Johannisbeeren) verwendet. Doch diese haben eher säuerliche Früchte. Dass man Rosinen entsteint (d.h. die Traubenkerne entfernt, dazu muss man sie vermutlich vorher in warmem Wasser aufquellen lassen), habe ich nie zuvor gehört. Die fünf Stunden Kochzeit sind wohl der Größe des Puddings geschuldet (die Masse hat insgesamt über 2,5 kg). (Zum (Avoirdupois-)Pfund, ca. 453,6 g, s. Angloamerikanische Gewichtsmaße, zum Pint, ca. 0,568 l, s. Angloamerikanische Hohlmaße.)
Der Plum Pudding spielt im heutigen Großbritannien keine so große Rolle mehr, ist aber noch prominent durch die zahlreichen Referenzen in der Literatur des 18. und 19. Jh., u.a. in Charles Dickens' „A Christmas Carol“. Bob Cratchit leidet als Angestellter von Ebenezer Scrooge unter dem Geiz seines Chefs. Bobs Familie kann sich nur ein frugales Weihnachtsmahl leisten, aber der Pudding ist ein unverzichtbarer Bestandteil davon. Hier die Szene, wie Bobs Frau den Pudding aus dem Kupferkessel holt (in dem sonst Wäsche gewaschen wird), flambiert und serviert:
Hallo! A great deal of steam! The pudding was out of the copper. A smell like a washing-day! That was the cloth. Hallo! Eine große Menge Dampf! Der Pudding war heraus aus dem Kupferkessel. Ein Geruch wie Waschtag! Das war das Tuch. A smell like an eating-house and a pastrycook’s next door to each other, with a laundress’s next door to that! That was the pudding! Ein Geruch wie ein Speiselokal und eine Kuchenbäckerei Tür an Tür, mit einer Wäscherei direkt daneben! Das war der Pudding! In half a minute Mrs. Cratchit entered : flushed, but smiling proudly : with the pudding, like a speckled cannon-ball, so hard and firm, blazing in half of half-a-quartern of ignited brandy, and bedight with Christmas holly stuck into the top. Nach einer halben Minute trat Frau Cratchit – errötet, aber stolz lächelnd – ein mit dem Pudding, wie einer gesprenkelten Kanonenkugel, so hart und fest, lodernd in einem halben Halb-Quartern angezündeten Brandy, und geschmückt mit einem in die Spitze gesteckten Weihnachtsstechpalmenzweig.
Nach dem „annotated Christmas carol“ von M. P. Hearn ist ein quartern gleich ¼ pint, davon noch zweimal die Hälfte sind ca. 35,5 ml, das sind 1¾ (dt.) Schnapsgläser.
Yorkshire pudding ist kein gekochter Pudding, sondern ein gebackener Teig aus Mehl, Milch und Eiern. Er wird entweder als Beilage zu Fleisch oder mit Konfitüre als Nachspeise serviert.
Anfang des 18. Jh. wurde das Wort Pudding ins Dt. übernommen, aber eingeschränkt auf die Bedeutung einer Süßspeise, die aus in Milch aufgekochter Speisestärke oder Gries und Zucker, öfters auch Gelatine (Panna cotta, Mandelsulz, Bayerische Creme) besteht. Dies scheint auch die überwiegende Bedeutung des Wortes im Amerik. sein.
Es werden zwei Etymologien vorgeschlagen:
Die Süßspeise, die wir im Dt. landläufig Pudding nennen, wird fachsprachlich als Flammeri (mask., Betonung auf dem a) bezeichnet. Dies von engl. flummery „saurer Haferbrei“ < walis. llymru [ɬ-] ds. Im Engl. wurde diese Art Pudding als blancmange (v. frz. blanc-manger „weißes Essen“, vgl. dt. veraltet Blamensier) bezeichnet. Doch ist frz. blanc-manger ein Gelee aus Mandelmilch und Zucker, also eine Mandelsulz. Der Blamensier enthielt (z.B. im ältesten dt. Kochbuch, dem „buoch von guoter spise“) Hühnerbrustfleisch wie heute das türk. tavuk göğsü oder die ursprl. Rezeptur des pers. محالبی muhallebi / arab. مهلبية muhallabija. Letzteres wird heute allerdings ohne Fleisch gemacht, so auch die hebr. Variante מָלַבִּי malabi, oder die zypriot. μαχαλ(λ)επί(ν) machal(l)epí(n).
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 3. Aug. 2025