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Kirche, Dom, Kathedrale


Dom oder Kathedrale? Stift oder Kloster? Kaplan oder Vikar? Für gestandene Katholiken kein Problem. Aber für mich als Lutheraner Begriffe, die nach Klärung heischen. Dabei gebe ich mich mit sehr pauschalen Erklärungen zufrieden. Die feinen kirchenrechtlichen Distinktionen oder die von Diözese zu Diözese oder (in der evangelischen Kirche) von Landeskirche zu Landeskirche je unterschiedliche Situation soll hier kein Thema sein. Da man bei diesem Thema, vor allem was die Bezeichnungen von Amtsträgern betrifft, schnell vom Hundertsten ins Tausendste kommt, musste ich bald einen Schlussstrich (neue Rechtschreibung, ich find's auch zum Speiben) ziehen. Die getroffene Auswahl der Begriffe ist also eher willkürlich.

Gebäude und Institutionen

Kirche
v. griech. κυρι[α]κή (οἰκία) kyri[a]kḗ (oikía) oder κυρι[α]κόν (δῶμα) kyri[a]kón (dōma) „dem Herrn gehörendes (Haus)“
Bezeichnet nach dem Etymologie-Duden zunächst das Gebäude und erst sekundär die Gemeinschaft und Institution.
Kathedrale
v. lat. (ecclesia) cathedralis „zum Bischofssitz gehörende (Kirche)“ (griech. καθέδρα kathédra „Sitz“)
Kirche, die Sitz eines Bischofs und somit das Zentrum einer Diözese ist, bes. in Spanien (catedral f), Frankreich (cathédrale f, z.B. Cathédrale Notre-Dame de Paris), England (cathedral, z.B. St. Paul’s Cathedral).
Dom
über franz. (dôme m.) und it. (duomo m.) Vermittlung v. lat. domus (Dei) f. „(Gottes-)Haus“ oder domus (ecclesiae) „(Kirchen-, Gemeinde-)Haus“ (wirklich im Sinne von „Wohnhaus der Kleriker“?), lt. Duden Lehnübers. v. griech. οἶκος τῆς ἐκκλησίας oíkos tēs ekklēsías „Haus der Gemeinde“
Hauptkirche, Kirche, die sich durch ihre Größe und Bedeutung auszeichnet. Viele Kathdralen werden als Dom bezeichnet (Stephansdom in Wien, Mailänder Dom usw.), aber nicht alle Dome sind Kathedralen (z.B. der Petersdom in Rom).
Engl. dome heißt „Kuppel“ (vgl. die Fernsehserie Under the Dome). Das hat viell. auf die Bezeichnung Felsendom (engl. Dome of the Rock), der ja gar kein Dom, sondern ein islam. Kuppelbau ist, eingewirkt.
Münster
v. vlat. monisterium = lat. monasterium „Kloster“, aus griech. μοναστήριον monastḗrion „Einsiedelei, Kloster“
Ursprl. eine Kirche, die zu einem Kloster gehört (im Ggs. zur Pfarrkirche), im Süddt. gleichbedeutend mit Dom (Ulmer Münster, heute evang. Pfarrkirche, Straßburger Münster, eine Kathedrale). Im Engl. gibt es zwei Wörter, die von monasterium abgeleitet sind: minster „(Kloster-)Kirche, Dom“ (vgl. Westminster Abbey) und monastery „Kloster“.
Basilika
v. lat. basilica = griech. βασιλική (στοά) basilikḗ stoá „königliche (Halle); Markt-, Gerichtshalle“
Ursprl. ein großes Gebäude, das für Gerichtsverhandlungen, Handelsgeschäfte usw. verwendet wurde, in christl. Zeit dann Kirche, die nach demselben Schema gebaut ist. Wie Dom wird es auch als eine Art Ehrentitel für bedeutende Kirchen verwendet (z.B. Lateranbasilika, Kathedrale des Bischofs von Rom).
Kloster
v. lat. claustrum „Verschluss, Schloss; verschlossener Raum, Käfig“
Das Wort bezeichnete ursprl. den klösterlichen Innenhof, „Kreuzgang“, so noch engl. cloister, franz. cloître, it. chiostro. Heute ist es der ganze Gebäudekomplex, in dem Mönche oder Nonnen nach speziellen Regeln zusammenleben.
Abtei
v. lat. abbatia
Kloster, dem ein Abt (lat. abbas, s.u.) oder eine Äbtissin vorsteht.
Stift (das)
Ursprl. mit einer Stiftung (z.B. Grundbesitz, Gebäude etc.) ausgestattete geistliche Körperschaft, in Österreich Bezeichnung für ein größeres Kloster.
Konvent
v. lat. conventus „Zusammenkunft, Versammlung“
Eigtl. die Niederlassung einer Ordensgemeinschaft.
Kartause
v. lat. Cartusia, franz. La Chartreuse, dem Ort, an dem die erste Kartause 1084 gegründet wurde
Ein Kloster des Kartäuserordens.

Ob eine Kirche als Dom, Münster oder Basilika bezeichnet wird, beruht schlicht auf Konvention (wobei Dom bei weitem überwiegt). Der Begriff Kathedrale wird kaum zur Benennung von Kirchen des dt.-sprachigen Raumes verwendet. Man trifft ihn aber bei der Benennung von Kirchen außerhalb dieses Raumes an (Kathredale Notre-Dame de Paris, (Jakob[u]s-)Kathedrale von Santiago de Compostela usw.).

Personal und Verwaltung

Klerus, Kleriker
v. lat. clerus „Geistlichkeit, Priesterstand“, griech. κλῆρος klḗros „Los, (durch Los zugefallener) Anteil, Erbteil“
Geistlichkeit, Priesterschaft (i. Ggs. zu den Laien). Auch engl. clerk „Büroangestellter, Sekretär, (Gerichts-)Schreiber“ hat dieselbe Wurzel, da die Kleriker im Mittelalter zu jenen wenigen Personen gehörten, die lesen und schreiben konnten und daher entsprechende Aufgaben wahrnahmen.
(Dom-, Stifts)Kapitel
v. mhd. kapitel „feierliche Versammlung, Zusammenkunft von Geistlichen“, v. lat. capitulum wörtl. „Köpfchen“ (Demin. v. caput „Kopf, Haupt; Hauptperson, Rädelsführer“), dann „Kapitell“ (einer Säule), „Kapitel, (Haupt-)Abschnitt“ (einer Schrift), mlat. auch „Zusammenkunft, Hauptversammlung (einer geistlichen Körperschaft)“ (bei der die in Kapitel unterteilte Ordensregel vorgelesen wurde?)
Der Etymologie-Duden lässt also die Bedeutung „Versammlung“ von der Bedeutung „Abschnitt, Kapitel“, welche in der Versammlung vorgelesen wurden, abgeleitet sein. Andere (z.B. DWDS) gehen von der Bedeutung „Haupt, Führer“ aus und erklären daraus das Kapitel als „(leitende) Hauptversammlung“.
Leitungskörperschaft (einer Bischofs- bzw. Stiftskirche)
Kanoniker, Chorherr
v. lat. canonicus „kanonisch, nach kirchlichem Recht; Mitglied eines Dom- oder Stiftskapitels“, v. lat. canon = griech. κανών kanṓn „Richtschnur, Regel, Grundsatz“
Mitglied eines Dom- oder Stiftskapitels. Man unterscheidet Säkularkanoniker (welt[geist]liche Chorherren), die kein Ordensgelübde abgelegt haben, und Regularkanoniker (regulierte Chorherren), die ein Ordensgelübde abgelegt haben und nach einer Ordensregel (lat. regula) – meist des Augustinus – leben, jedoch keine Mönche sind.
Priester
v. griech. πρεσβύτερος presbýteros „Ältester“ (eigentl. „älterer“), in der frühchristl. Kirche Angehöriger des Leitungsgremiums der Gemeinde
Allgemein jemand, der kultische Handlungen (insbes. Opfer, Gebet u.ä.) vornimmt; in der kathol. Kirche, wer die Priesterweihe empfangen hat.
Presbyter
s. Priester
Angehöriger des Gemeindeleitungsgremiums (Ältestenrat, Presbyterium) in evang. Kirchen und Freikirchen.
Pfarrer
Ableitung von Pfarre „Amtsbezirk eines Geistlichen“; dieses kommt lt. Wikipedia v. kirchenlat. parochia „Sprengel, Diözese“, verdorben aus griech. παροικία „Aufenthalt in der Fremde, Fremdlingschaft“; lt. Etymologie-Duden hingegen v. mlat. parricus „eingeschlossener Raum, Gehege“ (vgl. nhd. Pferch „Einfriedung“). Viell. lautl. Anlehnung an lat. parochus „Gastwirt (an einer Poststation zur Aufnahme reisender Staatsbeamter)“ (v. griech. πάροχος párokhos „darreichend, gebend; Lieferant, Versorger“).
Geistlicher Leiter einer Pfarre.
Pastor
v. lat. pastor „Hirte“
In Norddtl. Bezeichnung des (zumeist evang.) Pfarrers.
Bischof
über roman. Vermittlung (vgl. it. véscovo, frz. évêque) v. griech. ἐπίσκοπος epískopos „Aufseher, Beschützer“
Geistlicher Leiter einer Gemeinde oder Diözese; ein Weihbischof oder Auxiliarbischof ist einer, der den Diözesanbischof in der Wahrnehmung bischöflicher Aufgaben, bes. indem er ihn bei Weihehandlungen vertritt, unterstützen soll (s.u. Generalvikar).
Superintendent
v. lat. superintendens, -entis „die Aufsicht habend“, Part. Präs. von superintendere (als Übersetzung v. griech. ἐπισκοπεῖν episkopeín), Lehnübersetzung v. griech. ἐπίσκοπος epískopos
Amtsträger in protestant. Kirchen, entspricht dem kathol. Bischof.
Diözese
v. griech. διοίκησις dioíkēsis „Verwaltung (insbes. des Staatshaushaltes); Verwaltungsbereich, Provinz“
Kirchensprengel, kirchlicher Verwaltungsbezirk, Bistum. Die von Kaiser Diokletian im Zuge einer Verwaltungsreform geschaffene Regionaleinteilung wurde von der Kirche übernommen.
Kardinal
v. lat. cardinalis episcopus „Hauptbischof, Kardinal“; cardinalis „zur Türangel gehörig; vorzüglich, Haupt-“, Adj. v. cardo, -inis „Türangel, -zapfen“ (vgl. dt. Kardinaltugend, -fehler, frage u.ä.)
Vom Papst ernannter, u.a. zur Papstwahl berechtigter Priester bzw. heute fast ausnahmslos Bischof.
Prälat
v. lat. praelatus „vorangetragen; vorgezogen, bevorzugt“
Inhaber eines hohen kirchl. Amtes (z.B. Bischof, Abt) oder vom Papst ehrenhalber dazu ernannter Priester (Ehrenprälat). In einigen evang. Landeskirchen Deutschlands Angehöriger der Kirchenleitung (Bischofsstellvertreter o.ä.).
Abt
v. splat. abbas, Gen. abbātis, aus spgr. ἀββᾶς abbás (NT Vokativ ἀββᾶ, NA26 ἀββά, seit NA27 nur noch αββα) = aram. אַבָּא ʾabba (hebr. אָב ʾab) „Vater“
Vorsteher eines kathol. Klosters.
Propst
v. splat. propostus = lat. praepositus „vorangestellt; Vorgesetzter, Vorsteher, Aufseher“
Leiter eines Dom- oder Stiftskapitels, in einigen Order der Vorsteher eines Klosters oder sein Stellvertreter. In einigen evang. Landeskirchen Angehöriger der Kirchenleitung (Bischof, Bischofsstellvertreter o.ä.).
Prior
lat. prior „vorderer, früherer, erster, höherstehend“
Vorsteher eines Klosters bzw. (bei Klöstern, denen ein Abt vorsteht) Stellvertreter des Abts.
Mönch
v. vlat. *monicus = kirchenlat. monachus = griech. μοναχός monakhós „einzeln, allein lebend; Einsiedler, Mönch“
Asketisch bzw. im Kloster lebender Angehöriger eines Ordens.
Nonne
v. lat. nonna „Amme, Kinderwärterin; Nonne“
Weibliches Gegenstück zum Mönch.
Kaplan
v. lat. capellanus „Geistlicher, der den Gottesdienst an einer (Hof-)Kapelle hält; Hilfspriester“
Priester mit einem extraterritorialen Seelsorgebereich, z.B. Krankenhaus- oder Militärseelsorger; in weiterem Sinn auch Geistlicher, der einem anderen Pfarrer unterstellt ist, häufig auch Kooperator oder Vikar genannt.
Vikar
v. lat. vicarius „stellvertretend; Stellvertreter, Ersatzmann“
In der evang. Kirche Theologe, der sein Examen abgelegt hat und als Pfarrer auf Probe wirkt. In der kathol. Kirche ist ein (Pfarr-)Vikar ein Geistlicher, der einem Pfarrer unterstellt ist und diesen in der Seelsorge unterstützen soll (in vielen Diözesen als Kaplan bezeichnet); ein Generalvikar hingegen ist der Stellvertreter eines Bischofs vor allem in Verwaltungsangelegenheiten.
Diakon
v. kirchenlat. diaconus = griech. διάκονος diákonos „Diener“, in 1Tim 3,8ff wohl schon hauptamtl. Helfer des Bischofs in Verkündigung und Gemeindeleitung
In der kathol., der orthodoxen und anglikan. Kirche Geistlicher, der einen Weihegrad unter dem Pfarrer steht. In der evang. Kirche Mitarbeiter, die an der Schnittstelle von Seelsorge, Verkündigung einerseits und Sozialarbeit, Erziehung, Pflege andererseits tätig sind. (Die evang. Diakonie entspricht der kathol. Caritas.)

Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 3. Jan. 2017