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Aprikose
dt. Aprikose
< niederländ. abrikoos ds.
< frz. abricot ds.
< span. albaricoque [-ˈkokɛ], port. albricoque ds.
(vgl. it. albicocca ds.)
< arab. البرقوق (al-)barqūq, nach Wehr heute „Pflaume“, aber im 12.
Jh. ds. wie مشمش mišmiš „Aprikose“
(vgl. syr. ܒܰܪܩܽܘܩܝܳܐ barqûqjâ ds.)
< spgr./mgr. πρεκόκκιον, βερίκοκκον u.ä. „Aprikose“
< lat. praecoquum oder -cocum (scil. prūnum/Persicum)
ds., eigentl. „frühreife (Pflaume/Pfirsich)“ von praecox, -cocis, Nbf.
praecoquus 3 „frühzeitig, frühreif; zu früh, unzeitig“.
Ibn al-ʿAwwām, ein andalusischer Araber der 2. Hälfte des 12. Jh., schrieb ein umfangreiches „Buch der Landwirtschaft“ (Kitāb al-filāḥa). Die Überschrift zu Kap. 7, Art. 40 lautet: واما غراسة المشمش ويسمي البرقوق والتفاح الارمني ايضا „und über den Anbau des Mišmiš (Aprikose), auch genannt der Barqūq, und noch der armenische Apfel“. (Banqueri übersetzt „Del plantío del méchmech, llamado albaricoque ó manzano de Armenia“.)
Die Aprikosenpflanze heißt botan. Prunus Armeniaca „armenischer Pflaumenbaum“ (die Pfirsichpflanze Prunus Persica „persischer Pflaumenbaum“). Die Frucht heißt im Lat. Armeniacum oder Armenium „armenisches“ (erg. pōmum „Frucht“, prūnum „Pflaume“ oder mālum „Apfel“), oder praecoquum (prūnum/Persicum) „frühreife (Pflaume/Pfirsich)“. Den Römern galt offenbar Armenien als Ursprungsort der Aprikose. Tatsächlich ist sie dort seit dem Chalkolithikum nachweisbar. Aber sie kommt ursprl. aus Zentralasien. Und offenbar wird die Aprikose etwas früher reif als der Pfirsich.
Die Armenier hingegen sind offenbar der Meinung, dass ihr Land auch der Ursprungsort der Aprikose (armen. ծիրան ciran) ist. Zumindest sagt die armen. Wikipedia zur Aprikose: „Es wird angenommen, dass die Heimat der Aprikose der Nordosten Armeniens (die Grenzregionen zu Georgien) ist.“ (Google Übersetzer) Süffisant wird auch darauf verwiesen, dass türkische Wissenschaftler auf der 12. Botanischen Konferenz 1972 das armenisch aus dem botan. Namen entfernt haben wollten, aber eine Abfuhr erteilt bekamen. Allerdings wird in diesem Artikel auch allerhand Unfug behauptet: „Bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. nannten die Akkadier es "Armanu" ("armenisch", das heißt "armenisch"), und Armenien wurde "Armani" ("Aprikosenland") genannt.“ Wenn der Microsoft Translator hier nicht gepatzt hat, ist das sachlich falsch: der Landesname Armenien ist altpers., er taucht zum ersten Mal in Dareios' I. Behistun-Inschrift (um 520 v.Chr.) auf; und kein Iranist hat den Namen (dessen Bedeutung als ungeklärt gelten darf) bisher mit Aprikosen in Verbindung gebracht.
Die Etymologie des armen. Wortes für die Aprikose, ciran, ist unklar. Manche (z.B. Geworg J̌ahukyan) ziehen es zu idg. *g̑er- (Pokorny S. 390f, in moderner Schreibung *ǵerh₂-) „reifen, altern“, wovon u.a. gr. γέρων „Greis“, armen. cer „alt“, mit Formans -no- lat. granum „Korn“ und nhd. Korn abgeleitet sind; ciran bedeutet dann vielleicht „gereift“, in einem ähnlichen Sinn wie lat. praecox, -coquus. Andere (Friedrich Müller, Birgit Anette Olsen) stellen es zu armen. cirani „Purpur, purpurn“, und beide zu idg. *g̑hel- (Pokorny S. 429f) „glänzen“, das in einigen Sprachen mit t- oder n-Suffux das Wort für „Gold“ bildet: t-Suffix in aks. zlato und nhd. Gold, n-Suffix in skt. híraṇya-, avest. zarany-; ciran wäre dann nach der gelb-roten Farbe der Frucht benannt. Rémy Viredaz stellt es zu skt. cīḍa- „Terebinthe“, Kashmiri ċēr „Pinie, Kiefer“, die er von skt. cikka- „Gummi, Leim“ ableitet. Davon sei über choresm. Vermittlung ein substant. Adj. *cīda-/cīla- „viskos, eine viskose Substanz erzeugend“ (die Rede ist von der Baumkrankheit Gummifluss) gebildet, das dann vom Baum auf die Frucht übertragen wurde.
Seit dem 1. Jh. n.Chr. ist die Aprikose in der röm. Welt nachweisbar.
Dioskurides aus der röm. Provinz Kilikien schreibt etwa zur Zeit Kaiser Neros ein Werk über Arzneistoffe (De materia medica). Darin heißt es 1,115,4 (Wellmann = §165 Sprengel):
(περὶ μήλων Ἀρμενιακῶν) τὰ δὲ μικρότερα, καλούμενα δὲ Ἀρμενιακά, Ῥωμαιστὶ δὲ βρεκόκκια, εὐστομώτερα (v.l. εὐστομαχώτερα) τῶν προειρημένων ἐστίν. | (Über armenische Äpfel) Die kleineren aber, armenische genannten (Pfirsiche), auf Latein brekókkia [= praecocia], sind wohlschmeckender (v.l. bekömmlicher, besser für den Magen) als die zuvor erwähnten. |
Plin. nat. 15,40 (Kap. 11) schreibt über verschiedene Pfirsicharten:
post autumnum maturescunt Asiatica (scil. Persica), aestate praecocia, intra xxx annos reperta et primo denariis singula venumdata. | Nach dem Herbst reifen die asiatischen (Pfirsiche), im Sommer die frühreifen (= Aprikosen?), innerhalb der (letzten) 30 Jahre entdeckt und anfangs um einen Denar je Stück verkauft. |
Hardouin merkt an: Praecocia.] […] eadem Armeniaca, & praecocia Latine dicuntur: forte quae praecoqua Martiali lib. 13. Epigr. 46. Gallice, des Abricots. „Frühreife: […] auf Latein sagt man sowohl Armenische als auch frühreife: vielleicht was Martials Buch 13, Epigr. 46 praecoquia (frühreife) (nennt). Auf Französisch Aprikosen.“
Ein Kapitel weiter, Plin. nat. 15,41 (Kap. 12) schreibt er über Pflaumen. Die genannten armenischen dürften wohl Aprikosen sein. Weshalb mir fraglich ist, ob die obengenannten praecocia (Persica) ebenfalls Aprikosen sind.
sunt minora, at laudatiora cerina atque purpurea (scil. pruna), nec non ab externa gente Armeniaca, quae sola et odore commendantur. | Die wachsgelben und violetten (Pflaumen) sind kleiner, aber geschätzter, und auch die, von einem fremden Volk (benannten? importierten?), armenischen, die sich allein auch durch ihren Geruch empfehlen. |
Hardouin liest: Sunt & nigra, ac laudatiora cerina, atque purpurea. Necnon […] „Es gibt auch schwarze (Pflaumen) und geschätztere wachsgelbe und violette. Und auch […]“ Und er merkt an: Armeniaca.] Eadem haec esse quae Persica praecocia (les abricots) frustra scriptores novitii censuêre. „Armenische: neue Autoren haben irrtümlich gemeint, dass diese dasselbe seien wie die frühreifen Pfirsiche (die Aprikosen).“ Hardouin scheint also anzunehmen, dass in Kap. 11 von Aprikosen, hier aber von einer Pflaumenart die Rede ist.
In Martials Xenienbuch (epigr. 13, etwa Mitte der 80er Jahre) lautet das Gedicht 46:
Vilia maternis fueramus praecoqua ramis: | Billige Aprikosen (oder frühreife [Pfirsiche]) waren wir an mütterlichen Zweigen: |
nunc in adoptivis Persica cara sumus. | jetzt sind wir an aufgepropften (Zweigen) teure Pfirsiche. |
Friedlaender erklärt den zweiten Vers mit „Pfirsiche auf einem durch Pfropfreiser veredelten Aprikosenbaum gezogen.“ Doch lesen engl. Textausgaben (Lindsay, Ker) persica statt praecoqua: „billige Pfirsiche“.
Die Griechen haben den lat. Namen praecocum übernommen, noch heute heißt die Frucht der Aprikose dort βερίκοκο, die Pflanze βερικοκιά. Die Byzantiner haben die Bezeichnung an die Araber weitergegeben (manchmal liest man: über syr. Vermittlung). Über das maurische Spanien ist sie dann in die roman. Sprachen (Span., Port., Katal., Frz., It.) gelangt. Und von dort wiederum kam sie in die germ. Sprachen. (Ndl., Dt., Engl., Schwed., Dän./Norweg.). Das Dt. hat sie aus dem Niederländ. übernommen, das Engl. abrecock aus katal. abercoc (< port.), die heutige Form apricot an das Frz. angeglichen.
Im Span. und Port. heißt die Aprikose heute auch damasco, was zugleich auch den Damast (Gewebe) bezeichnet und der Name der syr. Hauptstadt ist. Während klar ist, warum Damaskus Namensgeber des Stoffes wurde, habe ich zur Aprikose keinen Zusammenhang gefunden.
In Österreich sagen wir Marille zur Aprikose. Dies ist angeblich Verballhornung von it. armellino „Hermelin; Aprikosenbaum“ < lat. Armeni(n)um. (Das Große Wiesel heißt heute meist ermellino. Tier und Baum sind nach ihrer präsumtiven Herkunft benannt.) Die dt. Form erklärt sich wohl aus Vermischung mit mlat. amarellum „Sauerkirsche“ (wohl zu lat. amārus „bitter“), vgl. dt. Morelle „Sauerkirsche, Weichsel“.
Verwickelter ist die Lage im Slaw.:
Im Südosten des slaw. Sprachraumes einschließlich Rumänien und Ungarn wurde die türk. Bezeichnung übernommen (das osman. Reich lässt grüßen). Im Nordwesten wird dagegen (über it. Vermittlung?) die lat. Herkunftsbezeichnung verwendet, aber z.T. mit Verballhornungen analog zur österr. Marille. Das Russ. hat wie das Dt. das Wort aus dem Niederländ., gebraucht aber türk. Bezeichnungen für Trockenfrüchte.
Autor: E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 14. Apr. 2025