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Straßennamen


Angesichts griechischer Straßennamen und der Frage, wie man sie auf Deutsch wiedergeben soll (übersetzen oder transkribieren), habe ich mich gefragt, wie Straßennamen auf Dt. aussehen und ein paar Beispiele zusammengetragen.

Deutsche

Meine Beispiele stammen, wo nicht anders angegeben, aus der Stadt Salzburg. L=Linz, W=Wien, M=München. Ich nehme an, die Situation ist jenseits des Weißwurstäquators nicht grundlegend anders.

In seltenen Fällen besteht der Straßenname aus einem einfachen Appellativ:
Platzl
Graben (L)
Freyung (W) (< Befreiung wegen des Schottenstifts am Platz?)
Stachus (M) (nach dem Stachus-Wirt, Besitzer Eustachius Föderl)
Am häufigsten ist ein zusammengesetztes Nomen:
Alpenstraße
Getreidegasse
Keltenweg
Residenzplatz
Kirchenstraße (M)
Manchmal mit Präposition:
Am Hof (W)
Am Rainberg
Am Bergsteig (M)
Häufig ist das Bestimmungswort ein Eigenname:
Goethestraße
Rudolfskai
Traklsteg
Einsteinstraße (M)
Besteht der Name aus Vornamen und Nachnamen oder Titel, dann wird mit Bindestrich geschrieben:
Ignaz-Rieder-Kai
Sigmund-Haffner-Gasse
Erzabt-Klotz-Straße
General-Keyes-Straße
Max-Weber-Platz (M)
In manchen Fällen ist das Nomen mit einem Adjektiv erweitert:
Alter Markt
Tiefer Graben (W)
Alter Hof (M)
Häufiger ist dabei das Adjektiv von einem Eigennamen abgeleitet:
Reichenhaller Straße
Nonntaler Hauptstraße
Kleßheimer Allee
Währinger Gürtel (W)
Innsbrucker Ring (M)

Griechische

Das Griech. kennt praktisch keine zusammengesetzten Nomina, stattdessen wird das Bestimmungswort immer als Attribut im Genitiv nachgestellt. Dem dt. Universitätsstraße entspricht griech. Straße der Universität. Das Grundwort Οδός Odós „Straße“ wird in aller Regel weggelassen, seltener auch Λεωφόρος Leofóros „Boulevard, Allee“. Es hat sich im Engl. und auch im Dt. eingebürgert, die Straßennamen nicht zu übersetzen, sondern stattdessen zu transkribieren. Übersetzt wird lediglich das Grundwort, wenn man es nicht nach griech. Vorbild weglässt. Man schreibt also Panepistimíou-Straße oder überhaupt nur Panepistimíou „der Universität“. Die folgenden Beispiele stammen, wenn nicht anders angegeben, aus Athen. T=Toló, N=Náfplio. Als Bestimmungswort dient:

eine politische Einrichtung:
Panepistimíou (Universität)
Voulís (Parlament)
Platía Syndágmatos (Sýntagma-Platz, „Platz der Verfassung“)
Platía Eleftherías (Freiheit)
eine Gestalt aus der Mythologie:
Ermoú (Hermes, Gott der Reisenden und Händler, Götterbote)
Apóllonos (Apoll[on], Gott der Musik, der Weissagung und der Heilkunst)
Persefónis (Persephone, Göttin der Unterwelt und Fruchtbarkeit)
Orféos (Orpheus, myth. Sänger und Dichter)
Mínoos (Minos, myth. König von Kreta) (T)
eine Gestalt (Staatsmann, Dichter, Philosoph) der antiken Geschichte:
Kímonos (Kimon, athen. Politiker und Feldherr, ca. 510-449 v.Chr.)
Perikléous (Perikles, athen. Staatsmann, 490-429 v.Chr.)
Sofokléous (Sophokles, Athener Tragödiendichter, 496-406 v.Chr.)
Ippokrátous (Hippokrates von Kos, Arzt und Medizinlehrer, ca. 460-370 v.Chr.)
Agíou Konstandínou (Hl. Konstantin, Konstantin der Große, röm. Kaiser, reg. 306-337)
eine Gestalt aus der neuzeitlichen Geschichte
Leofóros Andréa Syngroú (Andréas Syngrós, griech. Bankier und Philanthrop, 1830-1899)
Vasiléos Georgíou A' (König Georg I., griech. König, reg. 1863-1913)
Leofóros Vasilíssis Sofías (Königin Sophie, Sophie von Preußen, war durch Heirat mit Konstantin I. 1913-1917 und 1920-1922 Königin von Griechenland)
Anagnósti Skalídi (Anagnóstis Skalídis, kretischer Widerstandskämpfer, 1818-1901) (T)
Oúlof Pálme (Olof Palme, Ministerpräsident Schwedens 1969-1976 und 1982-1986)
ein Datum
25is Martíou (25. März 1821, gilt als Beginn der griechischen Revolution, daher Nationalfeiertag) (N)
Tritis Septemvríou (3. Sept. 1843, Militär und Bürger von Athen ringen König Otto die Zustimmung zu einer neuen Verfassung ab)
28is Oktovríou (28. Okt. 1940, Ochi-Tag, der griech. Diktator Ioannis Metaxas soll auf Mussolinis Ultimatum nur óchi „nein“ gesagt haben)
ein Ort (zu dem die Straße führt):
Patisíon (Patísia, ein Stadtteil Athens nördl. des Zentrums)
Keramikoú (Kerameikós, Stadteil Athens westl. des Zentrums)
Pireós (Piräus, der Hafen von Athen)
Konstandinoupóleos (Konstantinopel)
selten wird statt eines Genetivattributs ein Adjektiv verwendet:
Ierá Odós „heilige Straße“

Weitere Beispiele in meinem Reisebericht Athen: mehr als nur Akropolis (2016). Bei der Transkription habe ich mich weitgehend an die Wikipedia-Regeln gehalten. Wissen sollte man noch, dass y als [i] ausgesprochen wird, ge, gi als [jɛ], [ji] (Ajíou, Jeorjíou), d als [ð], th als [θ].


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 3. Dez. 2021