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Maria Magdalena


Auf das Thema wurde ich durch meine Beschäftigung mit dem Gral gestoßen.

Maria, genannt Magdalene, d.h. wohl aus Magdala am See Genezareth stammend, war von Jesus von Dämonen befreit worden. (Dass sie nicht Maria, die Frau des X oder Maria, die Mutter des Y genannt wird, könnte darauf hinweisen, dass sie unverheiratet war.) Sie gehörte fortan zur Gefolgschaft Jesu und unterstützte ihn finanziell. Sie war unter den Frauen, die bei der Kreuzigung wie auch der Grablegung zusahen und die am Ostermorgen das leere Grab entdeckten. Sie gehörte zu den ersten, die dem Auferstandenen begegneten; nach Joh und Mk war sie sogar die allererste. Mt 27,55f. 61; 28,9f; Mk 15,47; 16,1ff. 9; Lk 8,2f; Joh 20,1f. 11-18. Danach ist von ihr nie mehr die Rede; sie mag aber bei den Frauen, die mit den Aposteln einmütig im Gebet waren (Apg 1,14) mitzudenken sein.

Für die Gleichsetzung der Sünderin, die Jesu Füße salbte (Lk 7,36-50), mit Maria Magdalena gibt es keine Anhaltspunkte. In Joh 12,1-8 ist es Maria, die Schwester der Martha und des Lazarus, die Jesus die Füße salbt (in Mt 26,6-13; Mk 14,3-9 dagegen salbt eine namentlich nicht genannte Frau Jesu Haupt). Sie ist aber keine Sünderin, weshalb es sich nicht um dasselbe Ereignis handeln dürfte. Gleichwohl wurde diese Gleichsetzung kirchliche Tradition, und Maria wurde zum Musterbild der reuigen Sünderin.

Aus der Passage Joh 20,11-18 mag man auf eine emotional enge Beziehung zwischen Maria und Jesus schließen. Aber alles Spekulieren über eine Liebesbeziehung zwischen den beiden ist ohne Anhalt. Einige gnostische Schriften, etwa das Ev nach Philippus, die Pistis Sophia und wohl auch das Ev nach Maria (EvMar) behaupten eine besondere (nicht unbedingt erotische) Nähe Marias zu Jesus. Im EvMar wird Maria (deren Identifikation mit der Magdalena aber nicht unumstritten ist) zur Gewährsfrau einer Art geheimen Lehre Jesu, die Jesus nur Maria, aber nicht seinen Jüngern mitgeteilt hat. (Eine solche Darstellung hat für feministische Theologinnen eine große Anziehungskraft, führt aber in die esoterische Beliebigkeit.) Was apokryphe Evv, wie etwa die Nag-Hammadi-Texte, zu diesem Thema sagen, mag allenfalls von religionsgeschichtlichem Interesse sein, ist aber historisch fragwürdig bis wertlos. Dass Jesus und Maria verheiratet waren, kann ziemlich definitiv ausgeschlossen werden.

Die Legenda aurea, eine Sammlung von Heiligenlegenden aus dem 13. Jh. (die explizit Maria Magdalena mit Maria aus Bethanien und der Sünderin, die Jesu Füße salbte, gleichsetzt) berichtet, dass Maria mit ihren Geschwistern und anderen Christen auf dem offenen Meer ausgesetzt wurde, aber durch Gottes Fügung nach Marseille gelangt ist, wo sie als Verkünderin des Evangeliums wirksam war (96 (90),1). Das ist natürlich Legende, deren historischer Wert gegen Null tendiert.

In hac igitur dispersione beatus Maximinus, Maria Magdalena, Lazarus frater ejus, Martha soror ipsius et Martilla pedissequa Marthae nec non et beatus Cedonius, qui caecus a nativitate exstiterat, sed a domino fuerat liberatus, omnes hi insimul et plures alii christiani navi ab infidelibus impositi et pelago sine aliquo gubernatore expositi, ut omnes scilicet simul submergerentur, divino tandem nutu Massiliam advenerunt. In dieser Zerstreuung also wurden der selige Maximinus, Maria Magdalena, ihr Bruder Lazarus, ihre Schwester Martha und Martilla, Marthas Dienerin, und in der Tat auch der selige Cedonius, der von Geburt an blind gewesen, aber vom Herrn befreit worden war, diese alle zusammen und mehrere andere Christen von den Ungläubigen auf ein Schiff gesetzt und ohne irgendeinen Steuermann auf dem Meer ausgesetzt, natürlich damit sie alle zusammen ertrinken; dennoch gelangten sie durch göttlichen Wink nach Marseille.
Ubi cum nullos, qui eos hospitio recipere vellent, invenissent, sub quadam porticu, quae fano gentis illius terrae praeerat, morabantur. Nachdem sie niemanden gefunden hatten, der sie gastlich aufnehmen wollte, verweilten sie unter einer Säulenhalle, die einem Heiligtum des Volkes jenes Landes vorgebaut war.
Cum autem beata Maria Magdalena videret populum ad fanum confluere, ut ydolis immolaret, assurgens vultu placido, facie serena, lingua discreta eos ab ydolorum cultura revocabat et Christum constantissime praedicabat, et admirati sunt universi prae specie, prae facundia, prae dulcedine eloquentiae ejus. Als aber die selige Maria Magdalena das Volk zum Heiligtum zusammenströmen sah, um den Götzen zu opfern, erhob sie sich und brachte sie mit friedlichem Antlitz, heiterem Gesicht und bescheidener Zunge von der Verehrung der Götzen ab und predigte Christus auf das beständigste; und sie verwunderten sich allesamt ob ihrer schönen Gestalt, ob der Redegabe und ob der Süße ihrer Beredsamkeit.
Nec mirum, si os, quod tam pia et tam pulchra pedibus salvatoris infixerat oscula, caeteris amplius verbi Dei spiraret odorem. Und kein Wunder, wenn der Mund, der so fromme und so schöne Küsse auf die Füße des Erlösers gedrückt hatte, den Geruch des Wortes Gottes mehr als die übrigen atmete.

Quellen:

Lexikon zur Bibel. Hrsg. v. Fritz Rienecker.- 12. Aufl. Wuppertal: Brockhaus, 1977. s.v. Maria (2).
Zusammenfassung der ntl. Stellen
Petersen, Silke: Art. Maria aus Magdala. 2011. WiBiLex Bibellexikon.
ausführliche Darstellung des aktuellen Standes der Wissenschaft
Jacobus de Voragine: Legenda aurea vulgo Historia Lombardica dicta. Hrsg. v. [Johann Georg] Th[eodor] Grässe.- 2. Aufl. Leipzig: Libr. Arnold, 1850. S. 407-417. Archive.org.
lat. Text
The Golden Legend, by Blessed Jacobus de Voragine. Ins Engl. übers. v. William Caxton. 1. Ausg. 1483. Saints.SQPN.com.
engl. Übersetzung

Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 27. Mai 2016