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„Sie werden lachen: die Bibel“


So soll, wie ich einmal gelesen habe, der Dramatiker Bert Brecht auf die Frage nach seinem Lieblingsbuch geantwortet haben. Und nicht umsonst rieten Germanisten an der Uni Salzburg, als ich noch studiert habe, ihren Studenten, die Bibel zu lesen. Nicht zum Behufe frommer Erbauung, sondern als ein Stück Weltliteratur, ohne dessen Kenntnis man viele andere Werke der Literatur nur halb verstehen kann.

Was lesen?

Die Genesis mit ihren Erzählungen von der Schöpfung, Adam und Eva, dem Sündenfall, Kain und Abel, der Sintflut, dem Turmbau zu Babel, den Patriarchen Abraham, Isaak, Jakob und der Josephsgeschichte sind Pflichtlektüre. Vom Buch Exodus sollte man zumindest die ersten zwanzig Kapitel (die Aussetzung und Rettung Moses, der brennende Dornbusch, die ägyptischen Plagen, der Zug durchs Schilfmeer, Manna, die Zehn Gebote) sowie das Kapitel 32 (das goldene Kalb) lesen. Wer sich für die Geschichte des Judentums interessiert, sollte sich das ganze Buch zu Gemüte führen.

Aus dem Buch der Richter (das Wort bedeutet schlicht „Führer, Herrscher“) sollte man Kap. 6-8 (Gideon) und 13-16 (Simson und Delilah) lesen.

Die beiden Samuelbücher behandeln die Entstehung des Königtums in Israel und die ersten beiden Könige Saul und David, die ersten elf Kapitel des ersten Königebuches widmen sich König Salomo.

Das Buch Hiob ist ein poetisches, kein erzählendes Werk. Sein Hauptinhalt sind die Streitreden des unschuldig leidendenden Hiobs und seiner wohlmeinenden, aber schiefgewickelten Freunde. Zumindest die Rahmenerzählung Kap. 1-2 und den Schluß Kap. 42 sollte man kennen.

Die Psalmen sind nicht zum Lesen, sondern zum Beten und Singen gedacht. Bekannte oder lesenswerte Psalmen sind etwa Ps 22 (von Jesus am Kreuz gebetet), 23 (der HERR ist mein Hirte), 34, 36, 46, 62, 69, 73, 91, 103 und 104 (Lobe den HERRN, meine Seele), 119, 139, 150 (das große Halleluja) und die Bußpsalmen 32, 51, 130 (aus tiefer Not).

Das Hohelied (auch Lied der Lieder genannt) ist ein altorientalisches Liebeslied (oder eine Sammlung von solchen). Dass es in der Bibel steht, betrachte ich eher als Kuriosum. Es zu kennen, schadet nicht. Es enthält aber inhaltlich nichts Sensationelles.

Von den Propheten sollten theologisch Interessierte zumindest den sog. Deuterojesaja (Jesaja 40-55) kennen, insbes. das Gottesknechtslied Kap. 53. Literarisch fruchtbar war das Buch Daniel: Nebukadnezars Traum von den vier Weltreichen, Kap. 2; Belsazars Gastmahl und die Schrift an der Wand, Kap. 5; die Vision von den vier Tieren und vom Menschensohn, Kap. 7.

Vom Neuen Testament ist zumindest das Matthäusevangelium Pflichtlektüre. Von Lukas sollte man diejenige Stücke kennen, die sich weder bei Matthäus noch bei Markus finden (das sog. lukanische Sondergut). Ebenso die Apostelgeschichte, die von den Anfängen der Kirche erzählt und wie aus Saulus Paulus wurde.

Theologisch Interessierten und Gläubigen seien das Johannesevangelium und der Römerbrief ans Herz gelegt.

Die Offenbarung (oder griech. Apokalypse) verlangt oft eine profunde Kenntnis des Alten Testaments. Man sollte nicht so sehr versuchen, sie zu verstehen, als vielmehr die Bilder auf sich wirken lassen. Kennen sollte man sie allemal.

Von den Spätschriften des Alten Testaments sollte man die Erzählung von der frommen Jüdin Judith, die den assyrischen Heerführer Holofernes enthauptet (Buch Judith), und die Geschichte von Susanna und Daniel (in katholischen Bibelausgaben als Kap. 13 des Buches Daniel geführt, in protestantischen meist in einem Anhang zum Alten Testament) kennen.

Übersetzungen

Ich weiß nur zwei deutsche Übersetzungen, von denen ich abraten würde: die Neue-Welt-Übersetzung der Zeugen Jehovas und die Bibel in gerechter Sprache. Bei beiden wirkt die jeweils dahinterstehende Ideologie so stark auf die Übersetzung ein, dass man schon von einer Verfälschung sprechen muss. Schlachter 2000 und Luther 1912, die sprachlich mehrfach revidiert unter anderen Namen im Verlag La Buona Novella neu aufgelegt wurde, haben das Manko, dass sie beim Neuen Testament bewusst eine veraltete Textgrundlage (den Textus receptus) verwenden. Doch sind die inhaltlichen Unterschiede so marginal, dass ich von diesen Ausgaben nicht abraten will. Ansonsten gilt: Jede Übersetzung hat ihre Stärken und Schwächen. Ich nenne hier beispielshalber drei, die ich selber benutze.

Einige weitere Übersetzungen nenne ich in Sach- und Worterklärungen der Luther 2017 […]#Bibelübersetzungen.

Die Spätschriften des Alten Testaments (auch deuterokanonische oder apokryphe Bücher genannt) finden sich in den meisten protestantischen Bibelausgaben nicht. Man sollte sich eine Bibel besorgen, in der sie enthalten sind. Man darf trotz Luthers Diktum, dass diese Schriften der Heiligen Schrift nicht gleichgehalten sind, nicht vergessen, dass die Bibel der ersten Heidenchristen die Septuaginta war, die griech. Übersetzung des Alten Testaments, in der diese Schriften enthalten sind. Diese Christen haben die Spätschriften als Teil der Heiligen Schrift betrachtet.

Kommentare

Manche Erzählungen sind ohne weiteres verständlich. Vieles setzt aber die Kenntnis kultureller Zusammenhänge voraus. Wie kein anderes Werk der Weltliteratur ist die Bibel Gegenstand von Richtungsstreitigkeiten. Daher ist es schwer, Empfehlungen zu geben. Ich persönlich mag die relativ neutralen Erklärungen der Stuttgarter Erklärungsbibel (einer kommentierten Lutherbibel). Empfehlen kann ich auch die katholische Kommentarreihe Stuttgarter Kleiner Kommentar. Die meisten Kommentare der Wuppertaler Studienbibel sind hingegen nur für den genießbar, der mit der pietistischen Tradition vertraut ist. (Hier gilt der Witz: „Was hat einen langen buschigen Schwanz, isst Nüsse und Eicheln und klettert auf Bäume?“ – „So wie ich den frommen Laden hier kenne, ist das sicher wieder unser Herr und Heiland Jesus Christus.“)

Bibellexika

Zum Nachschlagen von Namen oder Begriffen empfiehlt sich der Besitz eines Bibellexikons. Ich selber kenne nur das wohlfeile von Fritz Rienecker im Brockhaus-Verlag herausgegebene. Das ist zwar von der theologischen Ausrichtung konservativ bis biblizistisch, gibt aber – vielleicht gerade deshalb – zuverlässige Auskunft. Für den wissenschaftlich Interessierten gibt es im Internet das WiBiLex, das aber work in progress ist, etliche Stichwörter gibt es (noch) nicht.

Koran? Bhagavadgita?

Die religiöse Literatur anderer Religionen ist immer langweilig. So wie wir Christen uns bei der Lektüre der alttestamentlichen Bücher Leviticus und Numeri langweilen, so wird sich vermutlich ein Jude beim Lesen der Paulusbriefe langweilen.

Ebenso unspannend ist auch die Lektüre des Koran für jemanden, der sich nicht für den Islam interessiert. Allerdings sollte man sich heutzutage für den Islam interessieren. Und sei es nur, um unterscheiden zu können zwischen den religiösen Grundlagen des Islam und seinen fundamentalistischen Auswüchsen. Welche Suren (so heißen die Kapitel des Koran) wichtig sind, vermag ich nicht zu sagen.

An Übersetzungen kenne ich:

Die Bhagavadgita ist ein Lehrgedicht, sie ist Teil eines viel größeren Epos, der Mahabharata. Ich habe mich selten so gelangweilt, wie bei dieser Lektüre. Wohl weil mir die indische Geisteswelt ziemlich fern liegt. Doch wer sich für indische Religion interessiert, für den ist dieses Buch ein Muss.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 12. März 2023