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Koptisches Alphabet


Kodierung

Bis Unicode 4.0 war vorgesehen, daß für das Koptische die  griech. Buchstaben verwendet werden. Lediglich die aus der demotischen Schrift stammenden Zeichen, die im griech. Alphabet keine Entsprechung haben, waren extra defininiert (U+03E2 – U+03EF). Dazu kommen ẍ (Diaeresis U+0308), x̄ (Makron U+0304 als Vokalstrich), x̅ (U+0305 als Abkürzungsstrich bei Nomina sacra), x̀ (Gravis U+0300 als bohair. Jinkim ) und ’ (Apostroph U+2019).

In Unicode 4.1 wurde dem Koptischen ein  eigener Zeichenraum zugewiesen (U+2C80 – U+2CFF), sowie das Zeichen ⸗ (doppelter Bindestrich U+2E17). Dieses Dokument benutzt die in Unicode 4.1 definierten Zeichen. Dafür benötigen Sie eine Schriftart, die die entsprechenden Glyphen enthält, z.B. (auf meinem Linuxsystem) FreeSerif oder Noto Sans Coptic.

Andere Kodierungen, insbes. solche auf ASCII-Basis (wie der unten als Beispiel angeführte Betacode), sind damit wohl obsolet. Aber solange es kaum Schriftarten mit den notwendigen Zeichen gibt, sind sie da und dort doch ganz nützlich (z.B. in Dateinamen).

Quellen

Ich habe Koptisch an der Universität Salzburg bei Karlheinz Schüssler (1940-2013) zu lernen begonnen. Wir erhielten einige kopierte Seiten aus der Koptischen Grammatik von Walter Till (2. Aufl., Leipzig: Verl. Enzyklopädie, 1961). An der UB war ein reprograph. Nachdruck von Georg Steindorffs sehr kompaktem, aber auch veraltetem Kurzen Abriß der Koptischen Grammatik (Berlin: Reuther & Reichard, 1921) verfügbar.

2007 konnte ich keines dieser Werke, aber auch kein koptisch-deutsches Wörterbuch im Netz finden. Im Jahr 2024 sind einige der Werke zumindest mit kostenloser Anmeldung bei Archive.org einsehbar (mit * markiert), Spiegelbergs Wörterbuch kann man sogar herunterladen. Dafür sind alle bis dato aufgeführten Links tot: Metalog.org gibt's nicht mehr, Geocities scheint zu Yahoo zu gehören, selbst von Unbound Bible existiert nur noch die Nachruf-Seite. Ich habe versucht, Ersatz zu finden, aber der Leser muss damit rechnen, dass auch die neuen Links nicht ewig verfügbar sein werden.

Alle diese Quellen verstehen unter Koptisch den sahidischen Dialekt, der für Jahrhunderte die Literatursprache des Koptischen war. Daneben gibt es heute einige Initiativen von Kopten, den bohairischen Dialekt, der seit bald einem Jahrtausend die liturgische Sprache der koptischen Kirche ist, als gesprochene Sprache wiederzubeleben. Wer sich dafür interessiert, kann die Angebote im Internet über eine Suchmaschine leicht selbst finden.

Über die  Google-Buchsuche lassen sich zwar ausführliche Grammatiken herunterladen, doch stammen diese noch aus dem 19. Jh. (Henry Tattam, 1830, Moritz Schwartze, 1850), in welcher Zeit man noch dem Bohairischen den Vorzug gab.

Das Alphabet

Glyphe Name B Aussprache
Till Crum Unicode
alfa SB ⲁⲗⲫⲁ alfa A a
bēda, vēda S ⲃⲏⲧⲁ, B ⲃⲓⲇⲁ vida B b, nach Vokal spirantisiert (d.h. ähnlich wie v), wie der nicht seltene Wechsel zwischen ⲃ und ϥ zeigt.
ġamma ⲅⲁⲙⲙⲁ gamma G g, hauptsächlich in griech. Wörtern, wechselt häufig mit ⲕ, gelegentlich mit ϭ.
dalda ⲇⲁⲗⲇⲁ, ⲇⲗⲇⲁ dalda D d, hauptsächlich in griech. Wörtern, wechselt gelegentlich mit ϯ.
ēje SB ⲉⲓ, B ⲉⲓⲉ eie E kurzes e
zāda S ⲍⲏⲧⲁ, B ⲍⲓⲧⲁ, ⲍⲁⲧⲁ zata Z stimmhaftes s wie in franz. zero, wie der gelegentliche Wechsel mit ⲥ zeigt.
hāda S ϩⲏⲧⲁ, B ⲏⲧⲁ, ⲏⲓⲧⲁ, ϩⲁⲧⲉ hate H langes e
tútte S ⲑⲏⲧⲁ, B ⲑⲓⲧⲁ, ⲑⲉⲑⲉ thethe Q th, hauptsächlich in griech. Wörtern, öfters als Abk. für ⲧϩ.
jōda ⲓⲱⲧⲁ, ⲓⲟⲧⲁ, ⲓⲁⲩⲇⲁ iauda I i oder j (s. Diphthonge); wird öfters (immer im Anlaut) ⲉⲓ geschrieben. Durch das Trema ⲓ̈ kann die Aussprache als j angezeigt werden.
kabba SB ⲕⲁⲡⲡⲁ, B ⲕⲁⲡⲁ kapa K k
lōla ⲗⲁⲩⲇⲁ, ⲗⲁⲩⲗⲁ, ⲗⲟⲗⲉ laula L l
mēj S ⲙⲏ, ⲙⲉ, B ⲙⲓ mi M m
niʾ SB ⲛⲉ, S ⲛⲛⲏ, ⲛ, B ⲛⲓ ni N n
eksi SB ⲝⲓ ksi C ks, hauptsächlich in griech. Wörtern, gelegentlich als Abk. für ⲕⲥ.
ōw SB ⲟⲩ, B o O kurzes o
bej SB ⲡⲓ pi P p
rōw S ⲣⲱ, ϩⲣⲟ, B ⲣⲟ ro R r
sámma S ⲥⲏⲙⲙⲁ, ⲥⲩⲙⲙⲁ, B ⲥⲓⲙⲁ, ⲥⲙⲙⲁ sima S s
daū SB ⲧⲁⲩ tau T t
he SB ϩⲉ, B ⲩⲉ, ⲩⲁ ua U in griech. Wörtern für griech. υ, seltener für ι oder η; in kopt. Wörtern nur als Bestandteil von Diphthongen.
fīj SB ⲫⲓ fi F ph, hauptsächlich in griech. Wörtern, gelegentlich als Abk. für ⲡϩ.
kij SB ⲭⲓ khi X kh, hauptsächlich in griech. Wörtern, gelegentlich als Abk. für ⲕϩ.
ébsi SB ⲯⲓ psi Y ps, hauptsächlich in griech. Wörtern, gelegentlich als Abk. für ⲡⲥ.
ōʾ SB ⲱ, B ⲁⲩ, ⲱⲟⲩ oou W langes o
ϣ schaj B ϣⲁⲓ, ϣⲉⲓ shei s [ʃ] wie in dt. Schule
ϥ fāj B ϥⲁⲓ, ϥⲉⲓ fei f f
ϧ chāj ϧⲉⲓ, ϧⲁⲓ khei [x] wie in dt. ach, kommt nur im Bohairischen vor.
„no name recorded“ Akhmimic khei Achmimische Form des Bohair. ϧ
ϩ hōri ϩⲟⲣⲓ hori h h
ϫ dschandscha ϫⲁⲛϫⲓⲁ, ϫⲉⲛϫⲉ gangia j ursprl. wohl [tj], später [tʃ] wie in dt. rutschen, daher öfters auch als Abk. für ⲧϣ.
ϭ schīma ϭⲓⲙⲁ shima g ursprl. ein palataler Velar (annähernd wie gj oder kj), daher wechselt es öfters mit ⲕ, seltener mit ⲅ; im Bohair. offenbar zum Sibilanten (irgendwo zwischen ϣ und ϫ?) geworden, weshalb einem Sahid. ϭ oft ein Bohair. ϫ entspricht.
ϯ (ϯ, ⲧⲓ, ϯⲓ, ϯⲉⲓ, ⲧⲉⲓ, ⲧⲏ, ⲧⲉ) dei t ti, öfter auch als Abk. für ⲧⲓ/ⲧⲉⲓ; später offenbar aufgeweicht, wechselt daher manchmal mit ⲇ.
ⲥⲟⲟⲩ (sou) Hat keinen Lautwert, wird nur als Zahlzeichen verwendet.

Unicode definiert Groß- und Kleinbuchstaben. Doch dürfte diese Unterscheidung nur in späten bohairischen Texten eine Rolle spielen. Alle Textausgaben und Grammatiken, die ich bisher gesehen habe, kennen diese Unterscheidung nicht. Die obigen Formen sind die der Kleinbuchstaben. Einen wirklichen Unterschied bei der Buchstabenform kann ich ohnehin nur beim ϧ erkennen. Manche Grammatiken verwenden die Form khei, die im Unicode-Codechart als Großbuchstabe aufscheint.

Till sagt, die Buchstabennamen seien nur in moderner bohairischer Form erhalten. Crum bietet aber auch sahidische Namen (S = Sahid., B = Bohair.). Der  Revised proposal to add the Coptic alphabet to the BMP of the UCS enthält Reproduktionen von koptischen Zeichenlisten aus sechs verschiedenen Werken. Ihm habe ich die Namen für ϯ und ⲋ entnommen, die ich bei Crum nicht finden konnte.

Diphthonge

Diphthong Lautwert
ⲉⲓ alternative Schreibung für ⲓ, vor Vokal j, sonst i, gelegentlich auch ej (für ⲉⲉⲓ oder ⲉⲓ̈).
ⲁⲩ au
ⲉⲩ e-u (nicht oi wie in dt. heute)
ⲟⲩ vor Vokal w wie in engl. water, sonst u; ⲁ-ⲟⲩ wird meist zu ⲁⲩ, ⲉ-ⲟⲩ zu ⲉⲩ. ⲟⲩ gilt für das Wörterbuch als eigener Buchstabe.
ⲏⲩ ē-u

Sonstige Zeichen

Plumley behauptet, der Vokalstrich habe eine andere Funktion: er diene dazu, das Silbenende bzw. die Verwendung eines Konsonanten als silbenwertiger Sonant anzuzeigen. Richtig ist, daß ursprl. wohl ein Unterschied zwischen ⲉ und dem Vokalstrich bestanden haben muß. Die Handschriften zeigen aber, daß dieser Unterschied auch den Kopten vielfach nicht mehr klar war.

Worttrennung und Satzzeichen

Handschriften sind in scriptio continua (d.h. ohne Worttrennung) geschrieben. Heute Textausgeben nehmen zwar eine Worttrennung vor, doch hat es sich eingebürgert, viele Wortelemente zusammenzuschreiben, etwa Präposition, Artikel, Demonstrativpronomen mit dem Substantiv (ⲛ̄ⲛⲉϥⲙⲁⲑⲏⲧⲏⲥ „zu seinen Jüngern“), Hilfszeitwort / Verbalpräfix mit dem Pronominalsuffix und dem Verb, an dem noch einmal ein Pronominalsuffix hängen kann (ⲛ̄ⲧⲉⲣⲟⲩⲛⲁⲩ „als sie sahen“). Grammatiken trennen diese Bestandteile mit Bindestrich oder Punkt, Pronominalsuffixe werden durch einen doppelten Bindestrich abgetrennt (Unicode U+2E17): ⲛ̄-ⲛⲉ⸗ϥ-ⲙⲁⲑⲏⲧⲏⲥ, ⲛ̄ⲧⲉⲣⲟ⸗ⲩ-ⲛⲁⲩ o.ä.

Als Satzzeichen werden in Handschriften hauptsächlich der Punkt und der Doppelpunkt verwendet, andere Zeichen gibt es, sie sind jedoch selten. Heutige Textausgaben interpungieren wie in griech. Texten: Punkt, Beistrich, Punkt in der Zeilenmitte als Doppel- oder Strichpunkt, Strichpunkt als Fragezeichen.

Wörterbuch

Buchstaben, die nur als orthographische Varianten für Zeichenkombinationen dienen, haben im Wörterbuch kein eigenes Lemma. So findet man Wörter, die mit ⲝ beginnen unter ⲕⲥ, mit ⲯ unter ⲡⲥ, mit ϯ unter ⲧⲓ. Wörter, die mit ⲑ, ⲫ oder ⲭ beginnen, gibt es nur im Bohair. Die Lemmata des kopt. Wörterbuchs sind: ⲁ ⲃ ⲉ ⲏ ⲑ* ⲉⲓ/ⲓ ⲕ ⲗ ⲙ ⲛ ⲟ ⲡ ⲣ ⲥ ⲧ ⲟⲩ ⲫ* ⲭ* ⲱ ϣ ϥ ϩ ϫ ϭ (solche mit * nur im Bohair.). Für Wörter, die mit ⲍ beginnen, bietet Crum zwei bohair. Vokabeln, bei denen es aber offenbar fraglich ist, ob sie kopt. Ursprungs sind.

Griech. Wörter, auf die man in kopt. Texten in großer Anzahl stößt, findet man in keinem kopt. Wörterbuch. Wer kopt. Texte übersetzt, ist gut beraten, ein Griechischwörterbuch sein Eigen zu nennen.

Wohl aus dem ägypt. Wörterbuch stammt die Eigenheit, daß Vokale bei der alphabetischen Einordnung erst sekundär berücksichtigt werden: ⲣⲱⲙⲉ (ⲣ-ⲙ) „Mensch“ kommt vor ⲣⲁϣⲉ (ⲣ-ϣ) „Freude“. Aber ⲣⲓⲙⲉ „weinen“ kommt vor ⲣⲱⲙⲉ (ⲓ vor ⲱ). Kürzere Wörter stehen vor längeren mit sonst gleichem Lautbestand: ⲙⲏⲧ „zehn“ kommt vor ⲙⲏⲧⲉ „Mitte“, ϣϫⲉ „Heuschrecke“ vor ϣⲁϫⲉ „Wort“ (- vor ⲁ).


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 18. März 2024