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Iranische Alphabete


Ich wollte mir mit dem folgenden einen Überblick über die verschiedenen Schreibsysteme verschaffen, die für die antiken iranischen Sprachen entstanden sind und mit deren Zeichenvorrat der Unicode-Standard immer mehr „aufgeblasen“ wurde. Die Darstellungen sind nur sehr überblicksmäßig, die Feinheiten des jeweiligen Alphabets kenne ich meist selber nicht. Zahlzeichen, Interpunktionszeichen und Diakritika habe ich fürs erste außen vor gelassen. Die Transkriptionen sollen eine ungefähre Vorstellung geben, die aktuellen Lautungen sind z.T. umstritten, z.T. hängen sie von der Zeit ab, der ein Text zugeordnet wird. Ich weise im übrigen darauf hin, dass ich den Laut [j] mit j wiedergebe, während sonst vielfach nach engl. Vorbild y verwendet wird.

Ich habe auf meinem Rechner das Noto-Schriftartenpaket (fonts-noto-core) installiert, das für alle folgenden Alphabete mit Ausnahme von Buch-Pahlavi die notwendigen Glyphen enthält. Für die, die auf dieser Seite nur „Tofu“ sehen (das Ersatzzeichen, das anzeigt, dass Glyphen nicht verfügbar sind, sowas wie ), habe ich den Zeichenvorrat auch als Grafik dazugegeben. Darüberhinaus können sie die verlinkten Wikipedia-Seiten aufsuchen, die die Zeichen auch meist als Grafiken anzeigen.

Mit Ausnahme des Altpersischen gehen alle diese Schriften letztlich auf das aramäische Alphabet zurück und werden wie dieses von rechts nach links geschrieben. In der Beschreibung der Zeichen sind sie allerdings von links nach rechts dargestellt.

Altpersisch

Die Achaimeniden (Kyros & Co.) verwendeten für die Verwaltung ihres großen Reiches (nach einer kurzen elamischen Periode), wie schon zuvor die Babylonier, das Aramäische. Ihre eigene Sprache, das Altpersische, schrieben sie in einer Mischung aus Silben- und Alphabetschrift. Die Zeichen sind Keilschriftzeichen.

𐎠 𐎡 𐎢 𐎣 𐎤 𐎥 𐎦 𐎧 𐎨 𐎩 𐎪 𐎫 𐎬 𐎭 𐎮 𐎯 𐎰 𐎱 𐎲 𐎳 𐎴 𐎵 𐎶 𐎷 𐎸 𐎹 𐎺 𐎻 𐎼 𐎽 𐎾 𐎿 𐏀 𐏁 𐏂 𐏃
a i u ka ku ga gu x c ǰa ǰi ta tu da di du θ p b f na nu ma mi mu j va vi ra ru l s z š ç h

Bei einigen Konsonanten (k, g, ǰ, t, d, m, n, v, r) wird durch das Schriftzeichen unterschieden, welcher Vokal folgt, bei der Mehrheit aber nicht. In letzterem Fall kann ein folgendes a impliziert sein. Bsp.: 𐎭 𐎠 𐎼 𐎹 𐎺 𐎢 𐏁 da-a-ra-j(a)-va-u-š = Dārajavauš, d.i. Darius.

Dazu kommen noch ein paar Logogramme, Zahlzeichen und ein Worttrennzeichen: 𐏈, 𐏉 (Transkription: AM) Ahuramazdā, dazu Gen. 𐏊 (AMha); 𐏋 xšāyaθiya (XŠ) „König“; 𐏌, 𐏍 (DH) dahyāuš „Land“; 𐏎 (BG) baga „Gott“; 𐏏 (BU) būmiš „Land, Erde“.
Worttrenner: 𐏐.


Altpersische Schriftzeichen in der Schriftart FreeSans.

Aramäisch

Die meisten Schriften der antiken iranischen Sprachen sind direkt oder indirekt von der aramäischen Schrift abgeleitet.

(Reichs-)Aramäisch 𐡀 𐡁 𐡂 𐡃 𐡄 𐡅 𐡆 𐡇 𐡈 𐡉 𐡊 𐡋 𐡌 𐡍 𐡎 𐡏 𐡐 𐡑 𐡒 𐡓 𐡔 𐡕
Hebräisch (Quadratschrift) א ב ג ד ה ו ז ח ט י ך כ ל ם מ ן נ ס ע ף פ ץ צ ק ר ש ת
Syrisch (Esṭrangela) ܐ ܒ ܓ ܕ ܗ ܘ ܙ ܚ ܛ ܝ ܟ ܠ ܡ ܢ ܣ ܥ ܦ ܨ ܩ ܪ ܫ ܬ
ʾ, ā/ē b, v g, ɣ d, δ h w, ū/ō z j, ī/ē k, x l m n s ʿ p, f q r š t, θ

Aramäisches Alphabet, zum Vergleich hebräisches Alphabet in Quadratschrift (einige Buchstaben haben eigene Endformen mit Unterlängen) und syrisches Alphabet in Esṭrangela.

Die syrische Schrift ist eine Kursive, d.h. ein Großteil der Buchstaben wird miteinander verbunden.


Aramäisches Alphabet in der Schriftart Noto Sans Imperial Aramaic.

Parthisch

Nach der Eroberung des Achaimenidenreiches durch Alexander den Großen und einer einige Jahrzehnte dauernden Herrschaft der Seleukiden übernahmen schließlich die Parther die Herrschaft im Iran. Vom (ca.) 2.-5. Jh. n.Chr. wurden die Inschriften in parth. Sprache mit einem von der aram. Schrift abstammenden Alphabet geschrieben, das Inschriften-Parthisch genannt wird. (Ein gut Teil der Texte stammt also aus sassanidischer Zeit.)

𐭀 𐭁 𐭂 𐭃 𐭄 𐭅 𐭆 𐭇 𐭈 𐭉 𐭊 𐭋 𐭌 𐭍 𐭎 𐭏 𐭐 𐭑 𐭒 𐭓 𐭔 𐭕
ʾ, a b g d h w, u z j, i k l m n s ʿ p s q r š t

Verschiedene Textausgaben gehen von einem unterschiedlichen Lautstand des Parth. aus und transkribieren daher unterschiedlich. Z.B. krtyr ʾhwrmzd mgwpty geht von einer Lautung „Kartir, der Magupat (=Oberpriester) des Ahuramazda“ aus. Skjærvø gibt es mit „Kirdēr the Mowbed of Ohrmazd“ wieder.

Dazu kommen einige Ligaturen: 𐭂𐭅 gw, 𐭇𐭅 hw, 𐭉𐭅 jw, 𐭍𐭅 nw, 𐭏𐭋 ʾl, 𐭓𐭅 rw, 𐭕𐭅 tw. Eine wesentliche Eigenschaft ist aber die Verwendung von Aramäogrammen (auch Heterogramme genannt). D.h. manche Wörter werden oft nicht phonetisch geschrieben, sondern mit ihrer aram. Lautung. Z.B. statt šāh „König“ schreibt man auch MLKʾ (= מַלְכָּא malkâ). (Aramäogramme werden meist in Großbuchstaben transkribiert.)


Inschriften-Parthisches Alphabet in der Schriftart Noto Sans Inscriptional Parthian.

Pahlavi

Die altpers. Sprache der Achaimeniden war spätestens mit Beginn des Hellenismus zum Mittelpers. geworden, das häufig Pahlavi genannt wird. Für dieses entstand ein dem Inschriften-Parth. ganz ähnliches Schreibsystem, das in drei Ausprägungen vorliegt, die Inschriften-Pahlavi, Psalter-Pahlavi und Buch-Pahlavi genannt werden.

Inschriften-Pahlavi 𐭠 𐭡 𐭢 𐭣 𐭤 𐭥 𐭦 𐭧 𐭨 𐭩 𐭪 𐭫 𐭬 𐭭 𐭮 𐭯 𐭰 𐭱 𐭲
Psalter-Pahlavi 𐮀 𐮁 𐮂 𐮃 𐮄 𐮅 𐮆 𐮇 - 𐮈 𐮉 𐮊 𐮋 𐮌 𐮍 𐮎 𐮏 𐮐 𐮑
ʾ, a b g d h w (o/u), ʿ, r z h, x j (e/i) k l, r m, q n s p ṣ (č) š t

Auch Pahlavi verwendet reichlich Aramäogramme. Dazu sind noch einige Zeichen nicht mehr unterscheidbar geworden: ʿ (Ajin, nur in Aramäogrammen) und r sind mit w zusammengefallen, q (nur in Aramäogrammen) mit m. Dafür wird r meist mit l geschrieben. Im Gegensatz zum Inschriften-Pahlavi ist Psalter-Pahlavi eine Kursive, d.h. die Buchstaben werden verbunden. Seinen Namen hat es nach dem Pahlavi-Psalter, einer Übersetzung des atl. Psalmenbuchs aus dem Syr. ins Mittelpers. (6. oder 7. Jh., gefunden in Uigurien).

Ebenfalls eine Kursive ist das Buch-Pahlavi. Hier ist nun auch das n mit w/ʿ/r zusammengefallen, d und j mit g, ḥ mit ʾ. Darüberhinaus ist g/d/j oft von b, oft auch von z nicht zu unterscheiden, ʾ nicht von s (samek) oder Doppel-d/g/j. Vielfach gibt es um Fehlschreibungen, die zu lesen eine wahre Kunst ist.

Buch-Pahlavi 𐮰 𐮱 𐮲 𐮳 𐮴 𐮵 𐮶 𐮷 𐮸 𐮹 𐮺 𐮻 𐮼 𐮽 𐮾 𐮿 𐯀 𐯁 𐯂 𐯃
ʾ, a, h, x b g, d, j d h w, n, ʿ, r z k l, r m, q s p c š t


Inschriften-Pahlavi-Alphabet in der Schriftart Noto Sans Inscriptional Pahlavi.


Psalter-Pahlavi-Alphabet in der Schriftart Noto Sans Psalter Pahlavi.


Buch-Pahlavi-Alphabet in der Schriftart Mehraban Book Pahlavi. Einige alternative Zeichen sind offenbar nicht belegt. Da dem Alphabet noch keine Codepositionen zugewiesen sind, hat die Schriftart die Zeichen auf die Codepositionen des Arabischen gelegt.

Avestisch

Das Avesta (nach dem Duden: Awesta) ist die Sammlung der heiligen Schriften des Zoroastrismus. Um die religiösen Texte und Gebete richtig rezitieren zu können, benötigte man eine Schrift, die die Aussprache genauer abbildet als die Pahlavi-Schriften. So entstand in der Zeit des Sassanidenreiches (3.-7. Jh.) die Avestische Schrift.

𐬀 𐬁 𐬂 𐬃 𐬄 𐬅 𐬆 𐬇 𐬈 𐬉 𐬊 𐬋 𐬌 𐬍 𐬎 𐬏 𐬐 𐬑 𐬒 𐬓 𐬔 𐬕 𐬖 𐬗 𐬘 𐬙 𐬚 𐬛 𐬜 𐬝 𐬞 𐬟 𐬠 𐬡 𐬢 𐬣 𐬤 𐬥 𐬦 𐬧 𐬨 𐬩 𐬪 𐬫 𐬬 𐬭 𐬮 𐬯 𐬰 𐬱 𐬲 𐬳 𐬴 𐬵
a ā å ā̊ ą, /ã/ ą̄, /ã:/ ə ə̄ e ē o ō i ī u ū k x, /x/ ḣ, /xʲ/ xᵛ g ɡʲ ɣ č ǰ t θ d δ p f b w ŋ ŋ́ = ŋʲ ŋᵛ n n, m m y, /j/ v r l s z š ž š, /ɕ/ š, /ʂ/ h

Dazu kommen einige Ligaturen, die häufigsten sind: 𐬱𐬀 ša, 𐬱𐬗 šč, 𐬱𐬙 št, 𐬀𐬵 ah.


Avestisches Alphabet in der Schriftart Noto Sans Avestan.

Sogdisch

Das Sogdische war eine verbreitete ostmitteliranische Sprache, die eine Zeitlang die Handelssprache in Zentralasien war. Für diese Sprache wurde ein eigenes Alphabet entwickelt, das auf dem syr. Alphabet beruht. Neben einer früheren Form, die Altsogd. genannt wird, gibt es eine spätere Form.

Altsogdisch 𐼀 𐼁 𐼂 𐼃 𐼄 𐼅 𐼆 𐼇 𐼈 𐼉 𐼊 𐼋 𐼌 𐼍 𐼎 𐼏 𐼐 𐼑 𐼒 𐼓 𐼔 𐼕 𐼖 𐼗 𐼘 𐼙 𐼚 𐼛 𐼜
Sogdisch 𐼰 𐼱 𐼲 𐼳 𐼴 𐼵 𐼶 𐼷 𐼸 𐼹 𐼺 𐼻 𐼼 𐼽 𐼾 𐼿 𐽀 𐽁 𐽂 𐽃 𐽄 𐽅
ʾ, a -ʾ, -a β ɣ h -h w, o/u z x j, e/i k, g δ m n -n s ʿ p c -c r š t, d -t, -d f? l š

Das altsogd. Alphabet hat eigene Formen für einige Finalbuchstaben. Die sogd. Schrift ist eine Kursive.

Das sogd. Alphabet wiederum war die Grundlage für die altuigurische Schrift. Dabei wurden die Zeichen um 90° gedreht und es wurde von oben nach unten geschrieben, die vertikalen Zeilen von links nach rechts. Die uigurische Sprache ist allerdings eine Turksprache und daher hier nicht im Skopus.


Altsogdisches Alphabet in der Schriftart Noto Sans Old Sogdian.


Sogdisches Alphabet in der Schriftart Noto Sans Sogdian.

Manichäisch

Die Manichäer, Anhänger einer als dualistisch klassifizierten Religion, schrieben ihre Texte, die in mitteliranischen Sprachen (parthisch, Pahlavi, sogdisch, baktrisch) verfasst waren, mit einer eigenen Schrift, der manichäischen Schrift, die von der syrischen (oder sogdischen?) Schrift abgeleitet war.

𐫀 𐫁 𐫂 𐫃 𐫄 𐫅 𐫆 𐫇 𐫈 𐫉 𐫊 𐫋 𐫌 𐫍 𐫎 𐫏 𐫐 𐫑 𐫒 𐫓 𐫔 𐫕 𐫖 𐫗 𐫘 𐫙 𐫚 𐫛 𐫜 𐫝 𐫞 𐫟 𐫠 𐫡 𐫢 𐫣 𐫤
ʾ, a b β g ɣ d x w ud z ž ? ǰ h ṭ? j k χ ? l δ δδ, θ m n s ʿ ? p f c q ? ? r š š/ś? t

Dazu kommen einige Ligaturen. Diese Schrift verwendet (so gut wie) keine Heterogramme. Die Rechtschreibung ist stärker an der tatsächlichen Aussprache orientiert als das gleichzeitige Pahlavi. Die manichäische Schrift ist kursiv.


Manichäisches Alphabet in der Schriftart Noto Sans Manichaean.

Auch die mandäische Schrift basiert auf der aramäischen. Aber das Mandäische ist ein ostaramäisches Idiom, kein iranisches, und gehört daher nicht hierher.


Autor: Michael Neuhold (E-Mail-Kontakt)
Letzte Aktualisierung: 9. Juni 2025